Sendung 670 vom 12.02.2024
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Rhetorisch ist der Rassismus der AfD und ihrer Netzwerke bis zu den Stiefelnazis kaum zu überbieten. „Ausländer raus!“ (jetzt: „Remigration!“) ist schon seit den 60er Jahren das Markenzeichen der extremen Rechten. Demgegenüber ist das „Wording“ der Parteien, die allgemein als „demokratische Mitte“ gelten, also von FDP, Union, Grünen und SPD, mehr oder minder gemäßigt, damit aber in keinem Fall besser. Aber was ist mit ihrem Handeln?
Seit Februar 2024 hat die Ampel die Frist, ab der Geflüchtete die höheren „Analogleistungen“ in Höhe der Sozialhilfesätze beziehen können, auf drei Jahre verdoppelt. Sie verlängerte die Höchstdauer des „Ausreisegewahrsams“ (Abschiebehaft) von zehn Tagen auf vier Wochen und schuf zusätzliche Haftgründe. Sie führte die schurigelnde „Bezahlkarte“ ein. Im Oktober 2024 verhängte die Ampel erneute Kürzungen der Leistungssätze nach dem Asylbewerber-Leistungsgesetz (AsylbLG) für 2025. Der Gesamtbedarf für Erwachsene liegt jetzt um gut ein Fünftel (Alleinlebende: 21,7 Prozent, Paare: 21,5 Prozent) unter den Sozialhilfesätzen, für Kinder unter 14 Jahren um rund ein Sechstel (16,2 Prozent), für die übrigen dazwischen. Ganz gestrichen wurde der Leistungsanspruch von „Dublin-Geflüchteten“, für die ein anderer EU-Staat zuständig ist.
Keine Rolle spielt bei den Kürzungen, daß das Bundesverfassungsgericht 2012 dem AsylbLG faktisch den Daseinszweck entzog, indem es feststellte, daß die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde „migrationspolitisch nicht zu relativieren“ sei. Erwägungen, „Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau zu vermeiden“, oder eine kurze Aufenthaltsperspektive könnten kein Absenken der Leistungen rechtfertigen. „Die einheitlich zu verstehende menschenwürdige Existenz muß daher ab Beginn des Aufenthalts in der Bundesrepublik Deutschland realisiert werden“, so das höchste Gericht. Eine wichtige Entscheidung, die der regierenden Politik aber „schnurz-piep egal“ ist. Soviel zu unserem „Rechtsstaat“ …
Der Kampf der „extremen Mitte“ gegen „irreguläre Migration“ – diese Wortschöpfung meint Geflüchtete außer Ukrainern, die auf Basis der EU-Massenzustromrichtlinie noch als „regulär“ gelten – bewegt sich bereits hart an der Grenze des rechtlich Zulässigen und tatsächlich Machbaren, gelegentliche Grenzüberschreitungen inklusive.
Ebenso ist die Frontex-“Festung Europa“ mit dem Massengrab Mittelmeer ein Produkt der EU-Mitte. Es wäre fahrlässig, all dies damit zu entschuldigen, die Mitte werde halt „getrieben“ von der harten Rechten. Sie will das so. Erinnert „Humanität und Ordnung“, die neue Überschrift der Grünen, nicht an „Fördern und Fordern“?
Während die Überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sich mit Wonne im Rassismus suhlt nimmt der extreme Reichtum immer weiter zu und entzieht der Gemeinschaft damit, in verbrecherischer Weise genau das Geld, daß an anderer Stelle fehlt: Es ist eine bittere Analyse, die Serap Altinisik, Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, bei der Vorstellung des Jahresberichts „Takers not Makers“ vornimmt: „Der Vermögenszuwachs der Superreichen ist grenzenlos, während es bei der Bekämpfung der Armut kaum Fortschritte gibt und zum Beispiel Deutschland die Unterstützung einkommensschwacher Länder sogar kürzt.“
Allein im vergangenen Jahr ist das Gesamtvermögen der weltweit knapp 2.800 Milliardäre um zwei Billionen von 13 auf 15 Billionen US-Dollar gestiegen – und damit dreimal so schnell wie noch 2023. Damit besitzt das reichste Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile 45 Prozent des weltweiten Vermögens. Zugleich leben 3,6 Milliarden Menschen von weniger als 6,85 Dollar pro Tag und 730 Millionen müssen hungern. Vor knapp fünf Jahren seien es noch 152 Millionen weniger gewesen, heißt es nüchtern im Bericht des Verbunds von Hilfs- und Entwicklungsorganisationen.
Angesichts der rasant wachsenden Vermögen rechnen die Oxfam-Analysten damit, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre fünf der heutigen Milliardäre zu Billionären werden könnten. Das Vermögen eines Milliardärs wächst im Durchschnitt pro Tag um zwei Millionen US-Dollar. Die zehn reichsten Milliardäre werden sogar um durchschnittlich 100 Millionen US-Dollar pro Tag reicher. Selbst wenn sie über Nacht 99 Prozent ihres Vermögens verlören, blieben sie Milliardäre, heißt es in dem Oxfam-Bericht, der sich auf Daten aus verschiedenen Quellen stützt. So haben die Autoren Forbes-Schätzungen zum Vermögen der Milliardäre mit Daten der Weltbank und dem UBS-Weltvermögensreport zusammengeführt.
Auch in Deutschland hat die Ungleichheit in den letzten Jahren stark zugenommen. Während die reichsten 5 Prozent fast die Hälfte (48 Prozent) des gesamten Vermögens ihr Eigen nennen könnten, ging die gesamte ärmere Hälfte der Bevölkerung nahezu leer aus. Jedes siebte Kind leidet unter Armut, und immer mehr Menschen können ihren gewohnten Lebensstandard nicht mehr halten. Gleichzeitig gibt es hierzulande 130 Milliardäre – die viertgrößte Anzahl weltweit. Deren Gesamtvermögen ist nach Berechnungen der Oxfam-Studie allein 2024 um 26,8 Milliarden auf umgerechnet 625 Milliarden US-Dollar angewachsen.
Während sich der Reichtum weiter konzentriert, fehlt in den öffentlichen Haushalten das Geld für moderne Schulen, gute Pflege, einen handlungsfähigen Sozialstaat und Zukunftsinvestitionen. Allein der staatliche Investitionsbedarf für eine zukunftsfähige Wirtschaft wird von verschiedenen Wirtschaftsinstituten mit etwa 600 Milliarden Euro beziffert.
Reichtum gehe Hand in Hand mit politischer Macht, beschreibt der Oxfam-Bericht die Folgen von Ungleichheit für die Demokratie. Deshalb müsse neben einer weltweiten Vermögenssteuer von 2 Prozent pro Jahr auch die Macht von Konzernen eingeschränkt, das Kartellrecht gestärkt und schädliche Marktkonzentration frühzeitig gebremst werden. Die Superreichen, so heißt es weiter, sorgten gezielt dafür, daß die ungerechten Strukturen stabil blieben: „Die wirtschaftlich starken Länder im Globalen Norden bestimmen weiterhin die Regeln, von denen Superreiche und ihre Konzerne profitieren.
Sie dominieren Institutionen wie den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank sowie die Finanzmärkte“, so die Kritik von Oxfam. Damit wachse auch ihr Einfluß auf die Steuergesetzgebung. Die Senkung von Unternehmenssteuern, unzureichende Besteuerung von Kapitalerträgen, Ausnahmen bei der Erbschaftssteuer und die Abschaffung von Vermögenssteuern seien die Folge.
Statt Reichtum zu besteuern, haben viele Staaten Verbrauchsteuern wie beispielsweise die Mehrwertsteuer erhöht, die ärmere Menschen stärker belasten als Reiche. Ein Trend, der trotz der eindringlichen Warnung von Oxfam auch in Deutschland fortgesetzt werden soll. Wie sonst ist der Ruf der Wirtschaftsbosse und der ihnen nahestehenden politischen Parteien nach „Steuersenkungen und Bürokratieabbau“ zu verstehen?
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.