Sendung 628 vom 02.11.2023
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Die deutsche Politik wendet sich vom Frieden ab, hin zu kriegerischer Rhetorik und Großmachtstreben. Während in der Ukraine Kräfte um ihre Freiheit kämpfen, gegen die bösen Russen, haben wir es im nahem Osten mit fürchterlichen Terroristen zu tun, die den friedliebenden und pazifistischen Staat Israel bedrohen. Doch nur im Traum und in den Augen eines über alle maßen naiven und einfältigen Außenministeriums ist die Welt so einfach.
Die Wirklichkeit ist wesentlich komplexer und ergibt sich aus Zusammenhängen aus der Vergangenheit genauso wie sie sich auch auf die Zukunft auswirkt. Doch selbst solch einfache Erkenntnisse sind in der heutige Politik keine Grundlage für ihr Handeln.
Statt dessen steht man, wie in den vergangenen Jahrzehnten auch, hirnlos und ohne nachzudenken an der Seite der USA und ihrer Vasallen und praktiziert deren neoliberale Wirtschaftspolitik und deren maßlosen Imperialismus. Hinzu kommt ein neuer fanatischer, deutscher Militarismus, wie ihn die BRD bislang nicht kannte.
In der Süddeutschen Zeitung war am vergangenen Wochenende ein sogenannter Pro und Kontra Artikel zu finden, zum Thema „Braucht Deutschland eine Rückkehr zur Wehrpflicht?“. Der Untertitel zur Überschrift zeigt wo es lang geht: „Krieg in der Ukraine, Terrorangriff auf Israel: Die Zeiten sind unberechenbar geworden, die Bundeswehr beklagt Personalprobleme. Verteidigungsminister Boris Pistorius hat die Aussetzung der Wehrpflicht erneut kritisiert.“
Pro und Kontra sind sich einig: Die Bundeswehr ist prima. Es mangelt ihr aber an Kanonenfutter (also Soldaten) und sie hat zu wenig Ausrüstung. Also hochrüsten was das Zeug hält! Nur über das wie ist man uneins. Das es Frieden nur ohne Militär geben kann geht weder in die Köpfe der Politik noch in die des systemkonformen Propagandajournalismus der seit einer Weile leider Gang und Gäbe ist.
Das Ergebnis dieser unmenschlichen und verbrecherischen Politik sieht man (wie immer) am Leid der Zivilbevölkerung und dies auf beiden Seiten. Die Zahl der getöteten Palästinenser in Gaza stieg bis Ende vergangener Woche auf knapp 5.800, davon mehr als 2.360 Kinder. Ungefähr 1,4 Millionen Bewohner Gazas befinden sich innerhalb der 360 Quadratkilometer auf der Flucht.
Auch die sogenannten humanitären Hilfsorganisationen helfen nicht. Das Leid der Menschen in Gaza scheint ihnen egal zu sein. Wir anders ist es zu erklären, daß die Palästinensische Zivilbevölkerung ein Lebensmittellager plündern konnte? Hier sei nur eine Frage gestellt: Wieso werden die Lebensmittel gelagert, anstatt sie an die hungernde Bevölkerung zu verteilen? Schämt euch kann ich da nur in Richtung der Hilfsorganisationen rufen.
Diese Verzweiflung der Bevölkerung hat Israel seit letztem Freitag abend noch einmal deutlich verschärft: Was offiziell als „zweite Phase“ des „Kriegs gegen die Hamas“ bezeichnet wird, sorgte in der Enklave für mehr als 30 Stunden ohne Kommunikation. Mit dem bislang heftigsten Bombardement hatten rund 100 Kampfflieger zunächst Internet und Telefonleitungen gekappt. Organisationen wie der Palästinensische Rote Halbmond, WHO und UNICEF verloren den Kontakt zu ihren Bodenteams, Notrufnummern funktionierten nicht, Krankenwagen wagten es nicht, Verletzte abzuholen. Den Agenturen Reuters und AFP wurde mitgeteilt, daß für die Sicherheit ihrer Journalisten nicht gesorgt werden könne. Am frühen Sonntag dann die Nachricht der Netzüberwachungsseite Netblocks auf X: „Netzwerkdaten in Echtzeit zeigen, daß die Internetverbindung im Gazastreifen wiederhergestellt wird.“ Vom Gesundheitsministerium in Gaza hieß es am Sonntag vorläufig, daß Hunderte Palästinenser getötet und verletzt worden seien.
Die UN-Vollversammlung hatte am vergangenen Freitag (Ortszeit) mit einer Mehrheit von 120 Staaten für einen sofortigen humanitären Waffenstillstand gestimmt. Die USA und Israel stimmten erwartbar gegen den Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza, Deutschland enthielt sich.
Das, beziehungsweise seine Regierung, ist lieber damit beschäftigt Demonstrationen im eigenen Land zu bekämpfen. Grundrechte Adé. Der Überbietungswettbewerb um die am weitesten gehende Einschränkung der Meinungsfreiheit ist eröffnet: In Berlin und Hamburg gelten Pauschalverbote für alle pro-palästinensischen Versammlungen und Kundgebungen. Dem hessischen Justizminister Roman Poseck (CDU) sind die Straftatbestände der Volksverhetzung und des Landfriedensbruchs zu uneindeutig. Er wird bei der kommenden Justizministerkonferenz die Schaffung eines Straftatbestandes vorschlagen, in dem die Leugnung des Existenzrechtes Israels unter Strafe gestellt werden soll. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz sprang Poseck zur Seite: Mit Blick auf die aktuellen Proteste müsse der Volksverhetzungsparagraf rasch „nachjustiert“ werden.
Bis das eintritt, behelfen sich die Staatsschützer mit der politischen Generaldirektive, hinter der Parole „From the River to the Sea, Palestine will be free“ stecke ein strafwürdiger Verstoß gegen die wiederentdeckte deutsche Staatsräson. Erstmals im Jahr 2007 ausgerufen von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor den Vereinten Nationen, gebiete es die historische Verantwortung Deutschlands, daß „Israels Sicherheit Teil der Staatsräson meines Landes (ist)“.
Die Staatsräson ist ein politisches Bekenntnis, kein juristisches oder gar verfassungsrechtliches Institut. Die „Augsburger Allgemeine“ greift das in ihrer Ausgabe vom 21. Oktober auf: „Denn wie weit die deutsche Staatsräson geht, wurde nie definiert. Ist damit der Kampf gegen den Antisemitismus gemeint? Der Schutz jüdischer Einrichtungen? Oder gar die Bereitstellung von Soldaten, wenn Israel wie aktuell um die eigene Sicherheit kämpft? Oder ist die Losung doch nur Hochstapelei?“ Eins ist sicher: Die Methode zur Beschneidung der Meinungs- und Versammlungsfreiheit ist so neu nicht.
Wenn das Zeigen der Sowjetfahne wegen der unterstellten Solidarisierung mit dem Rußland Putins eine verbotswürdige Handlung (Billigung eines Angriffskrieges) darstellt, warum sollte das Mitführen einer Flagge Palästinas nicht als Bekenntnis zur Hamas gewertet werden? Es gehört zum Bauplan der Ausdehnung des politischen Strafrechts, der Justiz die Entscheidung über solche Fragen zu überlassen, in der klammheimlichen Hoffnung, daß politische Floskeln in regierungsaffine Gerichtsbeschlüsse umgesetzt werden. Flugs wird damit jede Staatsräson zum rechtlichen Maßstab dafür, ob etwas strafbar ist oder nicht, ob eine Demonstration verboten wird oder nicht. Auch im Arbeitsrecht ist die Staatsräson schon angekommen, hat doch der FSV Mainz 05 seinen Spieler Anwar El Ghazi wegen eines „pro-palästinensischen Postings“ freigestellt. Was im öffentlichen Raum der Schutz der Sicherheit und Ordnung ist, nennt sich im Arbeitsrecht schlicht: Wahrung des Betriebsfriedens.
Dem Treffen des geheimdienstlichen Dreigestirns der Präsidenten von Bundesnachrichtendienst (BND), Verfassungsschutz (BfV) und Militärischem Abschirmdienst (MAD) am 16. Oktober in Berlin ist zu verdanken, daß mittlerweile das ganz große Bedrohungsszenario aufgemacht wurde. Längst geht es nicht mehr um die Situation in Palästina. BfV-Chef Thomas Haldenwang weiß um die Hintergründe. Interne und externe Krisen „waren, sind und bleiben Nährboden für unterschiedlichste Formen des Extremismus und können als Trigger auf extremistische Kräfte jeder Couleur wirken“. All das führe zur „Entgrenzung verfassungsfeindlichen Gedankengutes in die Breite der Gesellschaft“. BND-Präsident Bruno Kahl sind die 1,03 Milliarden Euro aus dem laufenden Bundesetat zu wenig: Wer Bedrohungen effektiv abwehren will, braucht „verläßliche Daten“ und die kosten Geld, ergo: „Nach der Reform ist vor der Modernisierung.“
Mehr Schlapphüte, mehr Rüstung, mehr Überwachung. Demokratie war einmal, die rechtsnationale Diktatur ist angesagt.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.