Sendung 591 vom 25.08.2022
Hallo Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Die Trading Hub Europe GmbH hat gesprochen: 2,419 Cent pro Kilowattstunde wird die Gasumlage betragen, die ab kommenden Oktober bis Ende März 2024 von Verbrauchern und Industrie kassiert werden soll, um gasimportierende Konzerne in Kriegszeiten zu unterstützen. Auf einen Einpersonenhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 5.000 Kilowattstunden kommen demnach jährliche Extrakosten von rund 121 Euro zu. Eine Familie mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden muß 484 Euro zusätzlich zahlen.
Hinzu kommen die Kosten für die Gasspeicherumlage in Höhe von 0,059 Cent sowie für die Bilanzierungsumlage in Höhe von 0,57 Cent pro Kilowattstunde. Obendrauf kommt die Mehrwertsteuer, wenngleich die Bundesregierung beabsichtigt, diese für den gesamten Gasverbrauch auf sieben Prozent zu senken. Der Nichtbesteuerung der Umlage hatte die EU-Kommission am Dienstag eine Absage erteilt. Es bleibt dabei: Die über Gasknappheit vermittelten Kosten der deutschen Kriegsbeteiligung in Form von Wirtschaftssanktionen gegen Rußland und Waffenlieferungen an die Ukraine sollen weder den Energiekonzernen überlassen noch aus dem Bundeshaushalt gestemmt werden. Statt dessen werden sie der Bevölkerung direkt aufgebürdet.
Am härtesten trifft die Gasumlage jene Haushalte, die ohnehin am wenigsten haben und deshalb auch bereits am stärksten unter der Inflation leiden. Am Mittwoch hatte das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung vorgerechnet, daß einkommensschwache Familien mit einer Teuerungsrate von 8,4 Prozent überdurchschnittlich stark betroffen sind. Für Singles mit hohem Einkommen steigen die Kosten nur um 6,4 Prozent. Schließlich gilt: Je geringer das Einkommen, desto höher die proportionalen Ausgaben für Energie. Durch die Gasumlage wird die Inflation nun weiter angeheizt.
Zudem werden Privathaushalte bei der Umlage strukturell gegenüber der Industrie benachteiligt. Denn die Laufzeit der Maßnahme umfaßt zwei Winter, aber nur einen Sommer. Und während der Gaskonsum der Industrie, übers Jahr verteilt, einigermaßen gleichmäßig ausfällt, verbrauchen Privathaushalte einen Großteil ihres Gases im Winter – zum Heizen.
Über das Ausmaß der Umverteilung von Kriegskosten zur Entlastung der Gasimporteure nach unten durfte die Privatwirtschaft selbst entscheiden. Schließlich ist die zuständige Trading Hub GmbH keine öffentliche Behörde, sondern ein Zusammenschluß elf privatwirtschaftlich organisierter Netzgesellschaften wie Thyssengas oder Bayernets.
Hilfreich bei der willkürlichen Preisfestlegung ist die systematische Intransparenz der dahinterstehenden Verfahren. So wurden etwa die beiden entscheidenden Berechnungsgrundlagen – einerseits die Höhe des kalkulierten Gaspreises über die Geltungsdauer der Umlage, andererseits die Verbrauchsannahmen – nicht veröffentlicht. Ebenfalls unbekannt sind die Bezugspreise aus den geplatzten Gasprom-Verträgen und die diesen Verträgen zugrundeliegenden Preisformeln. So bleibt der Weg zur Berechnung der besagten 2,419 Cent schleierhaft. Zahlen müssen die Verbraucher den Preis trotzdem – oder halt frieren.
Insgesamt sollen jedenfalls rund 34 Milliarden Euro zusammenkommen, um 90 Prozent der Zusatzkosten zu decken, die Importeuren entstehen, die Gas aus Rußland über die Pipeline Nord Stream I bezogen hatten und nun auf dem Markt um kostspielige Alternativen buhlen müssen. Doch welche Konzerne in welchem Umfang davon profitieren, bleibt ebenfalls geheim. Shell und RWE wollen nicht teilnehmen, die beiden Energieriesen beziehen allerdings auch kaum Gas aus Rußland. Laut Experten gibt es mindestens 14 Unternehmen mit Gasprom-Langfristverträgen, die die Umlage beantragen könnten. Nur die Hälfte davon ist namentlich bekannt, so etwa die EnBW-Tochter VNG und der Oldenburger Energieversorger EWE. Beide hatten mitgeteilt, ihre Anträge beim Trading Hub bereits eingereicht zu haben. Auch das Pleiteunternehmen Uniper wird auf diesem Weg wohl zu weiteren Finanzspritzen kommen.
Deutliche Kritik an der Maßnahme kommt von Verbänden und Gewerkschaften. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) fordert schnelle Entlastungen für einkommensschwache Haushalte. Diese müßten noch vor dem 1. Oktober auf den Weg gebracht werden, betonte die Verbandsvorsitzende Ursula Engelen-Kefer am Mittwoch gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. »Wir können nicht der großen Mehrheit der Gesellschaft immer mehr Belastungen aufhalsen und sie gleichzeitig im unklaren lassen, wie sie unterstützt werden.« Konkret fordert der SoVD eine Ausdehnung der Energiepreispauschale auf Rentner und Studierende sowie eine Verlängerung über das nächste Jahr. Die Hartz-IV-Regelsätze sollen zudem auf »mindestens 650 Euro« angehoben werden.
Die NRW-Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Anja Weber, hatte am Dienstag argumentiert, die Gasumlage überfordere sowohl Industrie als auch Privathaushalte. Es drohe ein enormer Arbeitsplatzverlust. Besser und gerechter sei es, die Kosten aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Es brauche ein neues Steuermodell, das die Mehrheit der Menschen entlastet, aber Spitzenverdiener und große Vermögen stärker belastet. Zudem forderte Weber einen Gas- und Strompreisdeckel.
Mit der Festlegung auf eine Einhaltung der Schuldenbremse und den Verzicht auf Steuererhöhungen sowie der Besetzung des Finanzministeriums hat sich die FDP in der Ampelregierung im Dienste ihrer Klientel ideal positioniert. Der Rahmen ist gesetzt, um die von Krise zu Krise wachsenden Kosten auf die breite Bevölkerung umzulegen und jene am stärksten zu belasten, die ohnehin am wenigsten haben. Zwar liegt die Staatsverschuldung der BRD mit 67,6 Prozent der Wirtschaftsleistung im europäischen Vergleich auf niedrigem Niveau. Doch dank der 2011 im Zuge der Euro-Krise durchgesetzten Schuldenbremse besagt das Grundgesetz, daß gekürzt werden muß, sobald die Schuldenquote über 60 Prozent liegt.
Ein alternativer Weg – höhere Steuern etwa in Form einer Übergewinnsteuer zu erheben – ist im Ampel-Koalitionsvertrag ebenfalls verbaut. Dabei zeigen Beispiele wie Italien, daß die satten Extraprofite der Öl- und Gaskonzerne, die sich an Krieg und Krise schamlos bereichern, problemlos abgeschöpft und zur Entlastung der Bevölkerung umverteilt werden könnten. Dort werden Gewinne von Energieunternehmen, die gegenüber dem Vorjahreszeitraum um mehr als zehn Prozent gestiegen sind, als Übergewinne deklariert und mit einer 25prozentigen Sonderabgabe belegt.
Italien gehört auch zu jenen Ländern, die einen EU-weiten Gaspreisdeckel fordern – und sich an der BRD-Führung die Zähne ausbeißen. Viele Mitgliedsländer haben eine solche Maßnahme bereits auf nationaler Ebene getroffen. In Spanien und Portugal wurde der Gaspreis dadurch fast halbiert und darf maximal 40 Euro pro Megawattstunde kosten. Hierzulande liegt er derzeit bei rund 148 Euro – und wird ab Oktober mit der Gasumlage weiter in die Höhe getrieben, wenn auch die gleichzeitige Senkung der Mehrwertsteuer auf den gesamten Gasverbrauch von 19 auf sieben Prozent womöglich für einen Ausgleich im Geldbeutel der Verbraucher sorgt.
Kriege und Krisen kosten immer viel Geld. Die Frage ist, wer welchen Anteil der Rechnung präsentiert bekommt. Die Antwort der Bundesregierung fällt eindeutig aus, wie die Gasumlage zeigt. So kann Finanzminister Christian Lindner (FDP) mitten im Abschwung Steuersenkungen zugunsten der Besserverdiener präsentieren und diese als »Entlastungspakete« verkaufen. Die meisten Menschen haben von dieser Regierung jedoch nichts zu erwarten, da kann Scholz »You’ll Never Walk Alone« trällern, soviel er will.
Das ist eben Kapitalismus und Neoliberalismus.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.
In der heutigen Sendung beschäftigen wir uns mit der Kriegs-/Gasumlage, mit der die kleinen Bürger wieder einmal überproportional zur Kasse gebeten werden und die Reichen entlastet.