Sendung 575 vom 03.03.2022
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
In der heutigen Sendung zitieren wir eine Text der Nachdenkseiten zu der momentanen Situation betreffend der Ukraine.
Während in den Straßen Berlins mehr als 100.000 Menschen für den Frieden demonstrierten, verkündete die Bundesregierung zeitgleich nur wenige Meter entfernt das größte Aufrüstungsprogramm, das Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg jemals gesehen hat. Besonders traurig – vielen Demonstranten dürfte dieser Widerspruch noch nicht mal einmal bewusst sein.
Man nutzt den Schock der russischen Invasion in die Ukraine, um Fakten zu schaffen; irreversibel, im Grundgesetz verankert. 100 Milliarden Euro „Sondervermögen“ plus mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sollen nun in die Rüstung gehen. Das sind mindestens 171 Milliarden Euro – mehr als 4.000 Euro für jeden Haushalt in Deutschland; für Panzer, Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge, die Atombomben transportieren sollen. Und für Schulen, Universitäten und Krankenhäuser hat man kein Geld. Viele Demonstranten unter dem Banner der weißen Taube haben für die Falken applaudiert – vielleicht ja, ohne dies zu wissen.
Naomi Klein hat in ihrem großen Buch „Die Schock-Strategie“ sehr gut beschrieben, wie man Katastrophen und fürchterliche Ereignisse nutzen kann, um Fakten zu schaffen, die in einer echten, offenen gesellschaftlichen Diskussion so wohl nie mehrheitsfähig wären. Die Invasion der Ukraine ist zweifelsohne ein solcher Schock. Während Millionen Menschen den eklatanten Völkerrechtsbruch kritisieren und die Medien eine nur noch hysterisch zu nennende Kriegsangst auch in Deutschland schüren, kochen die Emotionen hoch.
Eine rationale Debatte über eine künftige Friedensordnung, über die Überwindung des Blockdenkens, Entspannungspolitik und eine Friedenspolitik, die diesen Namen verdient, ist in diesen Tagen schwer möglich. Das wissen auch die Falken und sie wissen auch, dass sich dieses Gelegenheitsfenster schon bald wieder schließen könnte. Also besser Nägel mit Köpfen machen und die aufgeheizte Stimmung nutzen, um Fakten zu schaffen. Dass es ausgerechnet eine Koalition mit Regierungsbeteiligung von SPD und Grünen ist, die hier – wieder mal – das exekutiert, was die Falken sich wünschen, ist eine weitere groteske Fußnote der Geschichte.
„Es fehlt uns an Geld“ – dieser Satz ist spätestens seit Sonntag als eine der größten Lügen politischer Kommunikation enttarnt. Uns fehlte angeblich das Geld, wenn es um Bildung und die Verbesserung der Lebenschancen junger Menschen ging. Uns fehlte angeblich das Geld, wenn es um das marode Gesundheitssystem ging. Auch Corona hat daran nichts geändert, kein Cent floss seit Beginn der Pandemie in die personelle Ausstattung unserer Krankenhäuser.
Uns fehlte angeblich das Geld für die Ärmsten unserer Gesellschaft, die mit Hungerlöhnen, Hartz-IV-Regelsätzen unter dem Existenzminimum und kargen Minirenten ihr Dasein fristen müssen. Uns fehlte angeblich das Geld für Infrastruktur, für die Energiewende, für Kultur und und und. Für alles fehlte angeblich das Geld. Nur für eins nicht. Für die Rüstung. Schwarze Null hin, Schuldenbremse her. Da wird selbst die FDP plötzlich kreativ und richtet ein „Sondervermögen“ ein, was auch nur ein anderer Begriff für Schulden ist. Zurückzahlen werden dieses Geld wir alle.
Und es geht hier beileibe nicht um Peanuts. 100 Milliarden Euro sollen nun sofort in die Rüstung gehen – das sind rund 2.500 Euro pro Haushalt. Zusätzlich will man nun Jahr für Jahr mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes dem Verteidigungsressort spendieren. Das sind bei einem BIP von 3,6 Billionen Euro mindestens 72 Milliarden Euro pro Jahr! Das ist deutlich mehr, als Russland für sein Militär ausgibt. Rechnet man das „Sondervermögen“ hinzu, wird Deutschland in diesem Jahr mehr als dreimal so viel Geld für Rüstung und Militär ausgeben wie Russland. Und Deutschland ist nur eines der dreißig NATO-Mitglieder. Alleine die USA geben schon heute dreizehnmal so viel Geld für Militär und Rüstung aus wie Russland.
Glaubt irgendwer ernsthaft, durch dieses absurde Hochrüsten würde die Welt auch nur ein Jota sicherer? Glaubt irgendwer ernsthaft, dass die Milliarden und Abermilliarden, die nun der deutsche Steuerzahler in Rüstung und Militär „investiert“, das Leid in der Ukraine auch nur um ein Jota mildern?
Während in den Villen der Großaktionäre der Rüstungsindustrie Sonntag die Sektkorken knallten, dürfte sich der Jubel in den Mietwohnungen derjenigen, die den Aufrüstungsexzess bezahlen müssen, in Grenzen halten. Denn jeder Euro, der nun in die Rüstung geht, wird an anderer Stelle fehlen. Wer sich Panzer und Kampfflugzeuge für mehrere Milliarden kauft, kann halt keine zusätzlichen Lehrer, Krankenschwestern oder Sozialarbeiter einstellen.
Und wofür soll das ganze Geld nun ausgegeben werden? Laut Kanzler Scholz für „unsere Verteidigung“. Gerade so, als wäre die Bundeswehr heute noch wie vor 1990 als Landesverteidigungsarmee konzipiert. Deutschland beteiligt sich weltweit an Kriegen und mischt in Konflikten mit, die mit einer Landesverteidigung gar nichts zu tun haben. Zynisch könnte man sagen, wenn die Sicherheit Deutschlands am Hindukusch verteidigt wird, wo
Deutsche Soldaten führten bis vor kurzem Krieg in Afghanistan, sie mischten im Mali, in Syrien, in Libyen mit und neuerdings ist der Indopazifik im Fokus „deutscher Sicherheitsinteressen“. Und es wäre mehr als naiv, anzunehmen, dass die Bundeswehr mit der nun kommenden massiven Budgetsteigerung zu einer Verteidigungsarmee im Sinne des Grundgesetzes mutieren sollte. Nein, die Falken können sich nun noch besser an den Kriegen und dem Säbelrasseln des US-Imperiums beteiligen und mit dem Geld, das wir nun zusätzlich für Rüstungsgüter ausgeben, werden schon bald in irgendeinem armen Land der Welt Menschen getötet. Für die geht dann in Berlin sicherlich niemand auf die Straße.
Die weißen Tauben sind müde, die Falken sind stark wie nie vorher. Das ist die Realität. Und man kann nur hoffen, dass dies der Öffentlichkeit auch klar wird, sobald der Kanonendonner in der Ukraine verhallt ist und sich die Emotionen abgekühlt haben.
Wir sehe uns zur nächsten Sendung wieder