Sendung 566 vom 02.12.2021
Hallo Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Seit März 2020 befindet sich die Bundeswehr mit tausenden Soldatinnen und Soldaten im größten Inlandseinsatz seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland – derzeit sind es 8.000. Mehr und mehr setzte die Politik bei der Krisen-Bewältigung auf das Militär statt auf Zivilistinnen und Zivilisten: nun soll sogar ein General den Corona-Krisenstab der Bundesregierung leiten. Dieser Tabubruch wird auch auf kommende „Krisen“ Auswirkungen haben: seien es wirtschaftliche Crashs, Umweltkatastrophen oder Aufstände.
Die kommende „Ampel“-Regierung will Generalmajor Carsten Breuer zum Leiter des geplanten Corona-Krisenstabs bestimmen. Der 56-Jährige ist Kommandeur des „Kommandos Territoriale Aufgaben“ in der Bundeswehr, das für Einsätze der Streitkräfte im Inland zuständig ist. Er untersteht direkt dem Inspekteur der Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, dem „Nationalen Territorialen Befehlshaber“ der Bundeswehr.
Der geplante „Corona-Krisenstab“ soll laut Koalitionsvertrag die „gesamtstaatliche Bekämpfung der Corona-Pandemie besser koordinieren“. Obwohl er von der Bundesregierung eingesetzt wird, wird somit die nationale Krise erstmalig seit dem zweiten Weltkrieg auch offiziell einer militärischem Führungskraft übertragen, die zugleich auch Führungskraft der Bundeswehr für den Einsatz im Innern ist.
Diese Entscheidung ist eine konsequente Fortführung des größten Bundeswehreinsatzes im Innern als Pilotprojekt für zukünftige Krisenbekämpfung. Dieser umfangreichste und längste Bundeswehreinsatz an der „Heimatfront“ seit dem zweiten Weltkrieg begann im März 2020. Das erste Kontingent der Bundeswehr umfaßte 15.000 Soldatinnen und Soldaten. Damit stellt die Bundeswehr erstmals in ihrer Geschichte vorbeugend ein Kontingent für den Militäreinsatz im Inland auf – eine offene Abkehr von der bisherigen Praxis, bei der nur auf Anfrage reagiert wurde.
6.000 Soldatinnen und Soldaten waren dabei für die „Unterstützung der Bevölkerung“ geplant, jedoch weitere 5.500 Soldaten für „Absicherung und Schutz“. Die Bundeswehr bereitete sich also offenbar darauf vor, militärische Anlagen, Parlamentsgebäude, kritische Infrastruktur zu schützen – und im Zweifel auch Aufstände niederzuschlagen. – Von der „Amtshilfe“ zum zentralen Player der Krisenbewältigung.
Tatsächlich wurden sogenannte „hoheitliche“ Aufgaben – die eigentlich nur die Polizei durchführen darf – zwar durchaus bei der Bundeswehr angefragt, aber vom Verteidigungsministerium in keinem Fall zugestimmt, da dies nicht nötig gewesen sei, wie Generalleutnant Martin Schelleis in einem Interview Ende 2020 berichtete.
Das Kontingent wuchs dann bis Anfang 2021 auf 25.000 Soldaten an und wurde Richtung Sommer wieder auf 3.000 abgebaut. Laut einem Bundeswehrblog war Mitte November ein Großteil derer bereits im „Amtshilfe“-Einsatz – darunter auch 400 Soldaten für die „Führungsorganisation“, also letztlich die zivil-militärische Zusammenarbeit. Zum 29. November hat die Bundeswehr nun wieder aufgestockt – von 3.000 auf 8.000 Soldaten. Von der „Amtshilfe“ zum zentralen Player der Krisenbewältigung
9.000 Amtshilfeanträge wurden seit Beginn der Corona-Krise im März 2020 an die Bundeswehr gestellt. 8.000 davon wurden bewilligt und ausgeführt. Seit Jahresbeginn 2021 sind in rund 85 Prozent aller Landkreise in Deutschland Bundeswehrangehörige für die Corona-Amtshilfe im Einsatz. Die Voraussetzungen: die geforderten Leistungen müssen rechtlich zulässig und die zivilen Ressourcen erschöpft sein.
Die Zahlen machen deutlich: dieser Bundeswehreinsatz im Innern kann nicht mehr als „Amtshilfe“ bezeichnet werden, sondern ist bereits systematischer Teil der Krisenbewältigung.
Derzeit wird der Bundeswehreinsatz auch wieder einer breiteren Öffentlichkeit bekannt: Im Rahmen der am Dienstag vergangener Woche aktivierten militärischen „Operation Kleeblatt“ hat die Bundeswehr begonnen, Corona-Intensivpatienten aus dem Süd-Osten Deutschlands in weniger von der Pandemie betroffene Gebiete per Flugzeug zu verlegen. Der Bedarf sei laut einem Luftwaffenarzt „überwältigend“. Warum dies nicht mit zivilen Fahrzeugen und Fortbewegungsmitteln möglich ist, bleibt unklar.
Der Corona-Einsatz führt also zu einer bisher ungekannten vertieften, dauerhaften und systematischen zivil-militärischen Zusammenarbeit und verankert die Bundeswehr dauerhaft im zivilen Alltag. Damit wird eine entscheidende Lehre des Nazi-Faschismus übergangen, nach der die Bundeswehr im Innern keine Aufgaben übernehmen solle. Dies war auch zuerst grundgesetzlich verboten, ist jedoch in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr aufgeweicht worden.
Das Ergebnis dieser schrittweisen Militarisierung der inneren Katastrophenbekämpfung ist nun offenkundig: selbst die Führung des zentralen „Corona-Krisenstabs“ wird nun dem Militär übergeben. Nun kann es sich in der nationalen Krisenbewältigung üben und sich somit auch auf kommende Krisen vorbereiten: z.B. eskalierende Kriege, schwerere Umweltkatastrophen oder wirtschaftliche Crashs mit anschließenden Aufständen.
Auch in anderen Teilen der Welt gibt es Neuigkeiten. So wurden die indirekten Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran zur Wiederbelebung des Atomabkommens (JCPOA) am Montag in Wien wieder aufgenommen. Die neuen Verhandlungsrunden werden von der EU vermittelt und finden im gleichen Format wie die vorherigen statt.
Die Vertreter, die den Iran und die übrigen Unterzeichner des JCPOA – China, Rußland, Deutschland, das Vereinigte Königreich und Frankreich – vertraten, trafen sich im Palais Coburg, einem Hotel, in dem das Abkommen 2015 unterzeichnet worden war. Nach Abschluß der Treffen am Montag zeigte sich der EU-Vertreter Enrique Mora optimistisch und erklärte, die neue iranische Delegation habe deutlich gemacht, daß sie ernsthaft“ an der Wiederbelebung des JCPOA arbeiten wolle. „Ich bin zuversichtlich, daß wir in den nächsten Wochen wichtige Dinge tun können“, sagte er. Mora erkannte auch an, daß die widerrechtlich herbeigeführten US-Sanktionen gegen den Iran verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben. „Es besteht ein Gefühl der Dringlichkeit, dem Leiden des iranischen Volkes ein Ende zu setzen“, sagte er mit Blick auf die Sanktionen.
Während der ersten sechs Verhandlungsrunden, die von April bis Juni dauerten, weigerte sich die Regierung Biden, alle Sanktionen aus der Trump-Ära aufzuheben. Die USA und der Iran einigten sich schließlich auf eine Vereinbarung, mit der die meisten wichtigen Sanktionen aufgehoben wurden, aber in wichtigen Fragen blieben die beiden Seiten weit auseinander.
Einer der Hauptstreitpunkte war die Befürchtung des Irans, daß die USA das JCPOA wieder verlassen würden und somit ein weiteres Mal wortbrüchig. Vor den Gesprächen am Montag bekräftigte der Iran zu recht, daß er die Aufhebung aller Sanktionen aus der Trump-Ära und eine Garantie dafür will, daß die USA das Abkommen nicht wieder verlassen werden.
Die Regierung Biden hat deutlich gemacht, daß sie nicht alle Sanktionen aus der Trump-Ära aufheben will, und in den Wochen vor den neuen Gesprächen sogar neue Sanktionen verhängt. Trotz der Tatsache, daß die beiden Seiten so weit voneinander entfernt zu sein scheinen, erklärte der iranische Chefunterhändler Ali Bagheri Kani gegenüber Reportern, er sei nach Abschluß des Treffens am Montag „optimistisch“.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.