Sendung 550 vom 01.07.2021
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Die Hauptvorwürfe im Verfahren gegen den WikiLeaks-Mitbegründer Julian Assange, dem im Falle der Auslieferung an die USA bis zu 175 Jahre Haft drohen, basieren Berichten zufolge auf der Aussage eines verurteilten Betrügers, der nun gegenüber den Medien zugab, dass er gelogen hatte.
Sigurdur Ingi Thordarson heißt ein isländischer Staatsbürger und ehemaliger ehrenamtlicher Mitarbeiter von WikiLeaks, der für eine Summe von 5.000 US-Dollar zum FBI-Informanten wurde. Nun gab der frühere Kronzeuge gegenüber der isländischen Zeitung Stundin zu, dass er entscheidende Teile seiner Behauptungen für eine Anklageschrift gegen Julian Assange erfunden hatte.
In einem Artikel, der am vergangenen Samstag veröffentlicht wurde, beschreibt Stundin mehrere Teile seiner damaligen Aussage, die er nun bestreitet und neuerdings sagt, dass Assange ihn niemals angewiesen hatte, irgendwelche Cyberhacking-Aktionen durchzuführen.
Die Zeitung weist darauf hin, dass ein Gericht in London – trotz Ablehnung der Auslieferung an die USA aus humanitären Gründen – sich in dem „Fall Assange“ dennoch grundsätzlich auf die Seite der USA gestellt hatte, als es um die Anklagepunkte ging, die auf Thordarsons nun bestrittener Aussage basierten. Zum Beispiel heißt es in dem Urteil, dass „Herr Assange und Teenager bei einem gemeinsamen Versuch gescheitert sind, eine Datei zu entschlüsseln, die von einer Bank des ‚NATO-Landes 1‘ gestohlen wurde“, wobei sich die Umschreibung „NATO-Land 1“ vermutlich auf Island bezieht, während sich allgemeine Bezeichnung „Teenager“ wohl auf die Person Thordarson bezieht.
Allerdings behauptet Thordarson jetzt, dass die fragliche Datei nicht wirklich als „gestohlen“ angesehen werden kann, da anzunehmen war, dass sie von Whistleblowern innerhalb der „bestohlenen“ Bank selbst verteilt wurde, nach außen durchgesickert war und zu dieser Zeit online viele Leute versuchten, sie zu entschlüsseln. Das lag daran, dass sie angeblich Informationen über ausgefallene Kredite der isländischen Landsbanki enthielt, deren Zusammenbruch im Jahr 2008 zu einer großen Wirtschaftskrise in dem Land führte.
Thordarson stellte der Zeitung auch Chat-Protokolle aus seiner Zeit als ehrenamtlicher Mitarbeiter von WikiLeaks in den Jahren 2010 und 2011 zur Verfügung, aus denen hervorgeht, dass er häufig Hacker dazu aufforderte, isländische Einrichtungen und Webseiten entweder anzugreifen oder Informationen zu beschaffen. Aber laut Stundin zeigt keines der Protokolle, dass Thordarson von irgendjemandem anderen innerhalb von WikiLeaks gebeten wurde, dies zu tun. Was die Protokolle laut der Zeitung zeigen, sind ständige damalige Bemühungen des ehemaligen ehrenamtlichen Mitarbeiters der Organisation, seine Position bei WikiLeaks aufzublähen, indem er sich als Stabschef oder Kommunikationschef bezeichnet.
Im Jahr 2012 erstattete WikiLeaks schließlich Strafanzeige gegen Thordarson wegen Veruntreuung und Finanzbetrug. Er wurde später in Island wegen beider Delikte verurteilt.
Stundin zitiert auch Ögmundur Jónasson, den damaligen isländischen Innenminister, der sagte, dass die US-Behörden alles daran setzten, um der Person Julian Assange habhaft zu werden:
„Sie versuchten, Dinge hier [in Island] auszunutzen und Menschen in unserem Land zu benutzen, um ein Netz zu spinnen, ein Spinnennetz, das Julian Assange fangen würde.“
Die Zeitung behauptet weiter, dass Thordarsons Aussage schließlich der entscheidende Punkt für die Argumentation der Staatsanwaltschaft war und ist, mit der Assange als ein Krimineller dargestellt wird und nicht als ein Journalist, der Material veröffentlicht, wie es in den USA durch den ersten Verfassungszusatz geschützt ist, analog zur New York Times oder anderen Medien, die die gleichen Dokumente wie WikiLeaks verbreitet haben.
Als Reaktion auf den Artikel von Stundin twitterte der NSA-Whistleblower Edward Snowden umgehend: „Dies ist das Ende des Falles gegen Julian Assange.“
Assange hat nun bereits mehr als zwei Jahre hinter Gittern im Belmarsh-Gefängnis in Großbritannien verbracht. Die US-Regierung hat den australischen Journalisten unter dem US-amerikanischen „Espionage Act“ (Spionage-Gesetz) angeklagt und beschuldigt ihn, im Jahr 2010 geheime Informationen weitergegeben zu haben. Damals veröffentlichte WikiLeaks Dokumente, die Misshandlungen – einschließlich möglicher Kriegsverbrechen – durch das US-Militär in Afghanistan und im Irak öffentlich machten.
In Washington, D.C. bemüht sich die US-Regierung derzeit unvermindert um seine Auslieferung, und Assange könnte bei einem Schuldspruch in den USA bis zu 175 Jahre ins Gefängnis kommen.
Anfang Juni forderte der UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer die britische Regierung erneut auf, den Journalisten freizulassen, und er verurteilte dessen Inhaftierung als „einen der größten Justizskandale der Geschichte“.
Auch was den Iran angeht bleiben die USA nicht untätig. Mit einem weiteren Militärschlag unter dem Befehl von Präsident Joe Biden geht der Konflikt zwischen den USA und Iran in die nächste Runde. Das US-Militär flog in der irakisch-syrischen Grenzregion Luftangriffe auf mehrere Ziele, die von pro-iranischen Milizen genutzt worden sein sollen, wie Pentagon-Sprecher John Kirby am Sonntagabend in Washington mitteilte. Von diesen Einrichtungen aus sollen von Iran unterstützte Milizen Drohnenangriffe auf US-Personal und Einrichtungen im Irak gestartet haben. Es handele sich um zwei Ziele in Syrien und eines im Irak. Dort seien unter anderem Waffen gelagert worden.
Bislang hat das Pentagon die Öffentlichkeit nicht über Verluste bei den jüngsten Angriffen informiert. Die syrische Nachrichtenagentur SANA berichtete, dass ein Kind bei dem Vorfall getötet und drei weitere Zivilisten verletzt worden sein sollen. Das US-Militär hatte bereits Ende Februar im Osten Syriens Luftangriffe geflogen. Es war der erste Militärschlag seit Bidens Amtsantritt gewesen. Auch diesen hatte das US-Verteidigungsministerium als reinen „Defensivschlag“ gewertet – als „verhältnismäßige“ Reaktion auf vorherige Angriffe gegen US-Soldaten und deren internationale Partner im Irak.
Die US-Luftangriffe kommen zu einer Zeit, in der internationale Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr der USA zum Atomabkommen mit Iran laufen. Das Abkommen war 2015 zwischen Iran sowie den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Russland und China geschlossen worden. Unter Bidens Vorgänger Donald Trump waren die USA 2018 einseitig aus der Vereinbarung ausgestiegen und hatten massive Sanktionen gegen Iran verhängt. Im Gegenzug hielt sich auch Iran schrittweise nicht mehr an seine Verpflichtungen.
Seit mehreren Wochen laufen nun Gespräche in Wien über eine Rückkehr beider Länder zu den Vorgaben des Atomdeals. Sowohl Teheran als auch Washington hatten zuletzt von Fortschritten bei den Verhandlungen gesprochen. US-Unterhändler betonten jedoch, es gebe noch „ernsthafte Differenzen“ und bislang seien noch keinerlei Vereinbarungen festgezurrt: „Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist.“
Stellt sich die Frage, ob die USA unter Biden überhaupt an einer Wiederaufnahme der Vereinbarung interessiert sind. Ihre bisherigen Handlungen sprechen eine andere Sprache.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.