Sendung 518 vom 13.08.2020
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Bundespolizei wieder 19 Pakistaner in ihre Heimat zurückgeschickt. Vom Innenminister gibt es dafür Lob – eine Flüchtlingsorganisation spricht angesichts der Gesundheitsgefahr von einem Tabubruch.
Ein letztes Mal noch konnte der junge Mann mit seiner deutschen Verlobten sprechen, dann nahmen die Beamten ihm das Handy ab und begleiteten ihn ins Flugzeug, so berichtet es seine Anwältin Gisa Tangermann. Sie hat den 21-jährigen Pakistaner, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling vor vier Jahren nach Deutschland kam, betreut und bis zuletzt für sein Bleiberecht gekämpft.
Die Corona-Pandemie hatte dem Mann, wie vielen anderen abgelehnten Asylbewerbern, zuletzt Hoffnung gemacht, dass er doch noch bleiben könnte. Der Charterflug, der am frühen Dienstagmorgen von Frankfurt in Richtung Islamabad, Pakistan, abhob, machte diese Hoffnung zunichte.
Es war die erste größere Sammelabschiebung der Bundespolizei am Frankfurter Flughafen seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland, wie die Bundespolizei der Süddeutschen Zeitung bestätigte. An Bord waren 19 pakistanische Staatsangehörige. Polizisten begleiteten sie. Die Maschine kam aus Griechenland und hatte bereits zehn Pakistaner an Bord, die in Zusammenarbeit mit Frontex aus Griechenland abgeschoben werden sollten.
Flüchtlingsorganisationen nannten die Aktion einen Tabubruch und fürchten, dass diesem ersten Flug mitten in der Pandemie weitere folgen könnten.
Genau das ist wohl auch das Ansinnen von Bundesinnenminister Horst Seehofer, der es nach Aussage einer Sprecherin am Mittwoch begrüßte, dass die Bundesländer die Ausreisepflicht auch unter den schwierigen Rahmenbedingen durchsetzen. Der Bund unterstütze die Länder bei diesem Vorhaben. Das BMI dringe bei den Herkunftsstaaten auf eine baldige Wiederaufnahme der Rückführungen.
„Ein zivilisiertes Land wie Deutschland müsste in menschlicher und christlicher Verantwortung mitten in der weltweiten Pandemie solidarisch handeln und die Weltgemeinschaft nicht mit unnötigen und inhumanen Abschiebungen zusätzlich belasten“, kritisierte dagegen Stephan Reichel von der kirchlichen Flüchtlingsorganisation Matteo. Deutschland könne die Gesundheit der Abzuschiebenden nicht garantieren und gefährde mit den Flügen auch die begleitenden Polizisten und das Flugpersonal.
Tatsächlich gilt laut Auswärtigem Amt wegen der Corona-Pandemie noch bis Ende August eine Reisewarnung für fast alle Staaten außerhalb der EU. „Vor nicht notwendigen, touristischen Reisen ins Ausland wird derzeit gewarnt“, schreibt das Amt. Auch die Grünen im Bundestag nannten die Aktion unverantwortlich. „Während der Corona-Pandemie ist es menschenrechtlich geboten, bundesweit alle Abschiebungen auszusetzen“, erklärt Filiz Polat, migrationspolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion.
Einen solchen generellen Abschiebestopp hatte Horst Seehofer auf dem Höhepunkt der Pandemie tatsächlich für Transfers innerhalb der EU erlassen. Deutschland schickte bis Mitte Juni auch Flüchtlinge, für die es nach den europäischen Verteilungsregeln nicht zuständig war, nicht in die Nachbarstaaten zurück. Inzwischen findet das teilweise wieder statt.
Abschiebungen in das außereuropäische Ausland hatte Deutschland dagegen nie offiziell ausgesetzt. Sie waren zuletzt nur faktisch vielfach unmöglich, da viele Länder ihre Grenzen geschlossen hatten und kaum Flugzeuge flogen. Im Zeitraum von Januar bis Mai 2020 gab es dadurch nach Angaben des BMI insgesamt 5022 Rückführungen – weniger als halb so viele wie im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.
Die 19 nun abgeschobenen Pakistaner kamen vor allem aus Bayern und Baden-Württemberg. Bayern werde künftig schrittweise wieder mehr Abschiebungen durchführen, soweit es die Pandemielage zulasse, kündigte ein Sprecher des Bayerischen Innenministeriums an: Man sei überzeugt, „dass ein Asylsystem auf die Dauer nur dann akzeptiert wird, wenn der Rechtsstaat seine positiven wie negativen Entscheidungen auch konsequent umsetzt.“
Der junge Pakistaner hatte hier die Schule abgeschlossen, Deutsch gelernt und sich integriert. Die Behörden aber warfen ihm vor, er habe sein Alter falsch angegeben und sich neun Jahre jünger gerechnet – das wäre Identitätstäuschung, eine Straftat. Anwältin Tangermann, die seit Jahren mit minderjährigen Flüchtlingen arbeitet, hält diese Einschätzung in seinem Fall für abwegig und hätte sie gerne mit einem medizinischen Gutachten entkräftet. Die Behörden hätten ihr aber keine Zeit gegeben.
Doch es gibt auch gute Nachrichten, die man sich zum Vorbild nehmen muss:
Am Donnerstag dem 16. Juli stand der Menschenrechtsaktivist Hagen Kopp von „Kein Mensch ist illegal“ Hanau im Bayrischen Alzenau vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, dazu aufzurufen „von Abschiebung bedrohten Menschen Bürger*innen-Asyl zu gewähren und sie auch notfalls (…) zu verstecken“. Ihm wurde deshalb die „Öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft hatte eine Geldstrafe von 1200 Euro gefordert. Doch, es gibt noch Gerechtigkeit: Das Gericht sprach ihn frei. Hagen Kopp steht im Impressum der Webseite: www.aktionbuergerinnenasyl.de: „Schütze Menschen vor Abschiebung – Mach mit.“ Die bundesweite Kampagne wirbt für praktische Solidarität mit Menschen, die in Armut, Verfolgung oder gar Krieg abgeschoben werden sollen, – unter anderem dadurch, dass man ihnen Unterschlupf gewährt.
Hagen Kopp äußerte sich zufrieden über das Ergebnis und freute sich, dass Unterzeichner der Hanauer Bürgerasyl-Initiative in Alzenau ihre Solidarität zeigten. Er kritisierte aber, dass der Richter nicht auf den von ihm angesprochenen Paragrafen 34 eingegangen sei. Demnach können ansonsten strafbare Hilfeleistungen im Notfall gerechtfertigt sein, zum Beispiel bei Lebensgefahr. Kopp hatte darauf aufmerksam gemacht, dass die Initiative vor allem wegen der Charterflug-Abschiebungen nach Afghanistan – „wo Bürgerkrieg herrscht“ – entstanden sei. Er erwähnte auch die Geflüchteten, die während ihrer Abschiebung misshandelt oder sogar getötet worden seien. Solche Vorfälle „sind für mich unfassbare Menschenrechtsverletzungen“. Sie müssten ein Ende haben, forderte Kopp, genauso wie „die Kriminalisierung“ von Bürgerasyl und anderen Formen der Solidarität.
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Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.