Sendung 485 vom 29.08.2019
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Am Samstag zogen Zehntausende Menschen durch Dresden, um eine Woche vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg gegen den Aufstieg der extremen Rechten zu demonstrieren. Mit über 35.000 Teilnehmern war es eine der größten Demonstrationen in der sächsischen Landeshauptstadt seit dem Zusammenbruch der DDR. Sie war Ausdruck der überwältigenden Ablehnung des Rechtsrucks durch die große Mehrheit der Bevölkerung.
Aufgerufen hatte das breite #Unteilbar-Bündnis, dem hunderte Initiativen angehören. Viele Teilnehmer waren nicht nur gekommen, um gegen die rechtsextreme AfD zu protestieren, sondern auch, um ihrem Unmut über die rechte Politik der Bundesregierung Luft zu verschaffen. Attacken auf Flüchtlinge waren ebenso Thema wie das Sterben im Mittelmeer, Angriffe auf demokratische Rechte und auch die sozialen Missstände in Gesundheit, Pflege, Wohnung und Bildung.
„Ich bin so geschockt darüber. Dass ich das noch mal erlebe, wie das alles wieder zurückkommt“, sagt eine Demonstrantin, die zusammen mit ihrer Gruppe „Omas gegen Rechts“ an der Demonstration teilnahm. Sie sei in der unmittelbaren Nachkriegszeit geboren worden und in dem aufgewachsen, was der Zweite Weltkrieg und der Nationalsozialismus hinterlassen hatten. Nun gehe sie dafür auf die Straße, dass ihre Enkel diese Schrecken nicht erneut erleben müssten.
Auch jüngere Teilnehmer sprachen immer wieder die geschichtlichen Erfahrungen an. Zwei junge Studentinnen aus Dresden berichteten über ihre Angst vor einem Erstarken der AfD. Sie sehen Parallelen zu den 1930er Jahren: „Ich denke, dass es wieder alte Strukturen annimmt, wie wir es schon unter Hitler hatten. Es macht mir sehr Angst, dass es wieder in die Richtung geht, etwa die Fremdenfeindlichkeit.“
Insgesamt waren viele Mitglieder von Flüchtlingsinitiativen, Freiwilligenorganisation gegen Rechts oder für mehr Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz auf der Demonstration. So waren Helfer der „Mission Lifeline“ anwesend, die in Dresden gegründet wurde und Rettungsschiffe ins Mittelmeer entsendet.
Eine Teilnehmerin sprach von ihren Erfahrungen und Eindrücken auf dem Mittelmeer. Sie erzählte, wie ihr Schiff für Wartungsarbeiten im Hafen von Malta lag und ununterbrochen Notfallsignale empfing. „Dabei merkte ich erstmals wirklich, was Europa bedeutet: Wir sitzen in einer Festung und keiner kommt rein.“
Entrüstet fordert sie: „Niemand darf privilegiert werden nach dem Ort, in dem er geboren wurde. Es muss Gleichheit geben.“ Sie sagte, dass nicht allein die AfD eine Gefahr darstelle, sondern verwies auf die allgemeine Rechtsentwicklung, etwa in Italien und die Rolle der EU.
Immer wieder thematisiert wurde auch das Anfang des Jahres beschlossene sächsische Polizeigesetz, das es den Behörden über den diffusen Bereich der „Gefahrenabwehr“ erlaubt, nach Gutdünken und umfassend Grundrechte einzuschränken. So kritisiert ein Mitglied der Künstlerinitiative „Polizeiklasse“, „die Willkür und den abstrakten Gefährderbegriff, der sich vor allem gegen Ausländer und Andersdenkende richtet“.
„Polizeiklasse“ entstand als Reaktion auf das Polizeiaufgabengesetz (PAG) in Bayern und bildete kurz darauf eine Gruppe in Dresden, die insbesondere durch die Proteste an der Hochschule für bildende Künste bekannt wurde.
In scharfem Kontrast zu den Positionen der meisten Teilnehmer stand das massive Auftreten der SPD und der Grünen. Hatten sich diese Parteien an früheren antifaschistischen Großdemonstrationen kaum beteiligt, versuchten sie diesmal, den Aufzug mit ihren Fahnen und Lautsprechern regelrecht zu überschwemmen.
Der durchschaubare Versuch, Wähler zu gewinnen und sich als Gegner des Rechtsrucks darzustellen, stieß bei den meisten Teilnehmern auf Protest. Viele verwiesen auf die Schlüsselrolle, die die SPD dabei spielt, die extrem rechte Politik in die Tat umzusetzen. Gerade Olaf Scholz war als Hamburger Bürgermeister für die heftige Repression gegen friedliche Anti-G20-Demonstranten verantwortlich. In der Bundesregierung setzt er als Finanzminister den brutalen Sparkurs durch und trägt als Vizekanzler die Verantwortung für die Errichtung von Abschiebelagern, den Massenmord im Mittelmeer und die horrende Aufrüstung.
Auch die Grünen sind in den Landesregierungen für die menschenverachtende Abschiebemaschinerie verantwortlich, setzen Sozialkürzungen durch, rüsten den Staatsapparat auf und schüren Fremdenfeindlichkeit.
Eine Teilnehmerin von der Künstlergruppe „Polizeiklasse“ zeigte sich von der Zusammenarbeit des Verfassungsschutzes mit Rechtsterroristen wenig überrascht. „Das hat ja hier eine Geschichte. Nach 1945 gab es keine Entnazifizierung. Die alten Nazis haben einfach neue Posten bekommen und den BND aufgebaut. Das kommt nicht aus dem Nichts“, erklärt sie. „Wie beim NSU Komplex und beim Mord an Walter Lübcke – es wird immer abgetan und versucht, zu ignorieren, dass diese Morde rechtsextreme Hintergründe haben.“
Ein Demonstrationsteilnehmer verwies auf den sächsischen Verfassungsschutz, der nicht nur den rechtsextremen Charakter von AfD und Pegida leugnet, sondern auch mehrere linke Bands und Musiker als „linksextremistisch“ diffamiert. In das gleiche Horn stieß der Inlandsgeheimdienst auch bezüglich des „Wir sind mehr“-Konzerts in Chemnitz, das nach rechtsextremen Ausschreitungen 70.000 Menschen besucht hatten.
Online, hier als Beispiel Twitter, waren viele rechte Störer dabei, die oft sehr interessanten Berichte mit rechter Propaganda zu stören versuchten. Daran beteiligt war der gesamte rechte Rand, angefangen von CDU über AfD bis hin zu Neonazis.
Ein großes Thema in den Onlinediskussionen war das berechtigte Verbot der deutschen Nationalfahne auf der Demo. Viele haben sich daran gestört.
All diese Reaktionen zeigen wie gut und richtig die Wahl von Dresden als Demonstrationsort war. Hiermit wurde der Finger auf die richtige Wunde gelegt und ein klares Zeichen gegen rechten Dreck gezeigt.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.