Sendung 450 vom 06.09.2018
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Nach den Ausschreitungen rechter und ultrarechter in Chemnitz, bei Linken würde man im gleichen Fall sicher von Terroristen sprechen, gab es am vergangenen Wochenende Bundesweit, so auch in Chemnitz, viele Aktionen und Demonstrationen für Solidarität und gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
In Frankfurt fand der „Rock gegen rechts“ auf dem Opernplatz mit geschätzt 15000 Teilnehmern statt, der zwar schon lange geplant war, aber im Vorfeld durch die Ausschreitungen in Chemnitz aber nochmals an Bedeutung gewonnen hatte. In fast allen Reden wurden die Vorkommnisse in der sächsischen Stadt thematisiert und häufig solidarisierten sich die Redner mit den demokratieliebenden Menschen in Chemnitz.
Claudia Roth, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und Mitglied der Grünen, brachte ihre Botschaft am mitreißendsten an die Menschen. Es brauche in diesen Tagen wieder Rock gegen Hass, Hetze und Extremismus. „Nicht mit uns“, schrie sie ins Mikrofon und warnte davor, die Unruhestifter von Chemnitz als Chaoten zu bezeichnen – es seien organisierte Rechtsextreme, die auch keine Opfer seien, sondern Täter. Roth erinnerte daran, dass diese Problematik nicht nur ein sächsisches Problem sei. Überall im Land nähmen die Spaltung und die Anfeindungen zu. „Im Bundestag wollen manche einen Schlussstrich ziehen, das darf nicht sein“, rief die Grünen-Politikerin.
Auch in Chemnitz selbst gab es viele Gegendemonstrationen und am vergangenen Montag auch ein Rockkonzert gegen Rechte, dass mit mehr als 50000 Besuchern eindeutige Zeichen setzte.
Rechtsextremismus fällt in allen Bundesländern mehr und mehr auf fruchtbaren Boden und das hat vor allem soziale Ursachen. Im Westen, wie auch im Osten. Dass zum Beispiel die AfD im Osten prozentual stärker gewählt wird als im Westen, hat seine Gründe. Während die Warschauer-Pakt-Staaten (und somit auch die ehemalige DDR) im kalten Krieg vom Westen dämonisiert und mit allen Mitteln bekämpft wurden hatte es Westdeutschland mit den USA im Hintergrund wesentlich leichter.
Hinzu kommt das die ehemaligen DDR-Bürger bei der Herstellung der Einheit zu Menschen zweiter Klasse wurden: Die ehemalige DDR wurde durch die Treuhand ausverkauft, die gesamte existierende Industrie vernichtet, die Löhne sind genauso wie die Renten bis zum heutigen Tag wesentlich niedriger. Das Gebiet der DDR wurde quasi zur Kolonie des Westens.
Zudem haben die Ostdeutschen nach der Wende eine Massenarbeitslosigkeit erlebt, wie sie dem Westen erspart blieb, und deshalb haben sie doppelt so große soziale Ängste wie die Menschen im Westen. Nun haben sie Angst, dass die Flüchtlinge wieder zu etwas Ähnlichem führen: dass sie ihre Kultur durcheinanderbringen, sie sozial gefährden und so weiter. Ähnliches findet sich jedoch auch im Westen, hier „dank“ neoliberaler Politexzesse der letzten Jahre oder besser fast Jahrzehnte. Mit Niedriglohnsektor und dem verbrecherischen und unterdrückendem Harz IV System.
Verstärkt werden rechtsextreme Tendenzen in Ost und West natürlich auch durch die Politik. Ein Verfassungsschutzchef Maaßen der die faschistische AfD dabei berät, was sie tun muss um nicht durch seine Behörde überwacht zu werden, Politiker aller Couleur die zwar sofort dabei sind Linke zu überwachen, sich aber weigern die Faschisten von der AfD überwachen zu lassen oder Politiker wie Seehofer oder Söder, die mit ihrer fremdenfeindlichen und rechten Hetze wissentlich und absichtlich noch weiter Öl ins Feuer gießen.
Doch zurück zu Chemnitz und Sachsen. Es wäre gut gewesen, wenn der handgreifliche Hass vom Staat nachhaltig und entschlossen bekämpft worden wäre. Dann hätte die giftige Saat nicht so aufgehen können. Die Menschenwürde, von Hassbürgern getreten, braucht Hilfe, auch von der Polizei, auch von den Strafgerichten. In Sachsen hat sie diese Hilfe noch weniger erhalten als anderswo in den neuen Bundesländern.
Es gibt in Sachsen so viele eklatante Fehler, nicht nur bei den aktuellen Polizeieinsätzen; die Fehler reichen weit zurück. 1991, nach den Hetzjagden von Hoyerswerda, hat der damalige sächsische Innenminister Heinz Eggert (CDU) die Soko Rex aufgebaut, eine schnell sehr erfolgreiche, hochangesehene und Rechtsaußen gefürchtete Polizeieinheit gegen gewalttätigen Rechtsextremismus. Nach ein paar Jahren, nach Eggerts Ausscheiden aus dem Amt, ist sie aufgelöst worden. Sie hatte da soeben mit Strukturermittlungen gegen die Rechtsextremisten begonnen. Die Strukturen konnten sich dann ziemlich unbehelligt herausbilden.
Der Rechtsradikalismus wurde verharmlost, geleugnet, verdrängt – und wenn das nicht mehr funktionierte, dann wurde halt Braun und Rot gleichgesetzt, dann wurde der sogenannte Linksextremismus herangezogen, um den Rechtsextremismus damit quasi auszutarieren. Und Maßnahmen gegen Rechtsaußen wurden fast immer daran gekoppelt, dass es diese Maßnahmen auch gegen Linksaußen gab. Dass Rechtsaußen viel gefährlicher, viel ausgreifender war – das wollte und will man nicht sehen.
Aber: das ist nicht ganz Sachsen. Es gibt neben dieser Unzivil-Gesellschaft eine rührige Zivilgesellschaft, es gibt noch ein anderes Land, das Sachsen heißt – ein modernes, aufgeklärtes, aufgeschlossenes Sachsen. Allein in Dresden haben 41 Vereine Integrationsprojekte mit Flüchtlingen offiziell angemeldet. Ein Bündnis für Akzeptanz und Menschlichkeit, es heißt „Dresden Respekt“, macht dort sehr respektable Arbeit. Und eine Initiative, die „Dresden isst bunt“ heißt, lädt einmal im Jahr zu einer riesigen sternförmigen Tafel auf den Neumarkt ein, zu einem Gastmahl im Herzen der Stadt. Seit 24 Jahren wird in Dresden der Erich-Kästner-Preis verliehen; er geht an engagierte, beeindruckende Personen, die, im Kleinen und im Großen, Dinge auf die Beine stellen, für die das Wort „bürgerschaftliches Engagement“ eine sehr trockene Beschreibung ist.
Von Erich Kästner, er war ein gebürtiger Dresdner, stammt der Spruch: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Man kann diesen Satz für esoterisches Geschwätz halten. Aber das ist falsch. Der Satz ist eine Aufforderung. Und es gibt in Sachsen viele Menschen, die ihr Folge leisten und sich der grassierenden Hetze gegen Flüchtlinge in ihrer Heimat entgegenstellen. Aber sie haben nicht die Aufmerksamkeit, die die braunen Gemeinheiten des vielfach vorbestraften Pegida-Gründers Lutz Bachmann haben.
Das Land Sachsen, wie auch die Rest-BRD, brauchen mehr als ein paar Hundertschaften Bundespolizei. Sie alle brauchen eine andere Politik. Eine Politik die das gesellschaftliche Gesamtvermögen wieder denen zurückgibt, denen sie es über Jahrzehnte gestohlen hat. Eine Politik, die den Menschen Arbeitsplätze gibt von denen sie gut und erfüllt leben können. Eine Politik die den Menschen unbürokratisch hilft, die Hilfe Benötigen, die für kostenlosen Nahverkehr, kostenlose Kindergartenplätze und vor allem kostenloses Schulessen sorgt.
Wer das zahlen soll? Im völlig überflüssigen Verteidigungs- (besser Kriegs-) haushalt sowie in den Etats der diversen Bundes- und Landesgeheimdienste ist genug Geld dafür vorhanden. Und sogar noch mehr um Menschen auf der Fluchtroute über das Mittelmeer zu Helfen und sie nicht erbärmlich ertrinken zu lassen. Wenn die herrschende Klasse dies nur wollte!
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.
Quellen:
Frankfurter Rundschau, Interview mit Gregor Gysi
Süddeutsche Zeitung