Sendung 360 vom 10.09.2015
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
In fast allen Fernseh- und Printmedien taucht der Begriff Flüchtlingskriese, in Bezug auf die Menschen die nach Europa bzw. nach Deutschland flüchten auf. Bei den Verantwortlichen dieser Medien handelt es sich in der Regel um langjährige Profis. Wieso greifen sie also wieder einmal zu einem extrem abwertenden und falschen Schlagwort? Was ist der Grund dafür Menschen in Boulevardblattmanier dermaßen abzuwerten?
Wieso sind die Flüchtlinge die Krise? Wieso assoziiert man das Flüchten von Menschen mit einer Kriese, die von den Opfern ausgelöst wird? Wieso macht man damit die Opfer zu Tätern? Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Meinungsmanipulation? Was ist der Grund?
Alle Menschen, die nach Europa flüchten kommen aus Kriegsgebieten oder Gebieten wirtschaftlicher Armut. Auslöser von beidem sind die Nato, die USA und Europa (immer inklusive der BRD). Entweder mit imperialistischem Militarismus oder mit neoliberaler Globalisierung!
Ist es somit also nicht eher so, das es sich um eine Krise Deutscher, Europäischer und globaler Politik handelt? Oder anders ausgedrückt um eine Krise des politischen Systems? Könnte das nicht eher hinkommen, als von einer Flüchtlingskrise zu sprechen? Wir empfehlen allen jenen, die diesen Ausdruck benutzen, einmal darüber nachzudenken. Und das BEVOR sie reden!
Ein anderes, eben so fragwürdiges Schlagwort, das ebenso gerne verwendet wird besteht darin vom Umverteilen oder von einem Umverteilungsplan zu sprechen, wenn es darum geht wo die Flüchtlinge Aufnahme finden sollen. Der Begriff umverteilen wird entweder bei Dingen oder Tieren verwendet aber in gar keinem Fall bei Menschen. Denn Menschen verteilt man nicht um! Sind solche Redens- und Denkkonstrukte kein Rassismus und keine Fremdenfeindlichkeit? Auch darüber sollte einmal nachgedacht werden.
Werden wirklich Lösungsvorschläge von der Politik geboten?
Am vergangenen Samstag sprach der Hessische CDU „Sozialminister“ Stefan Grüttner in der Hessenschau zu dem Thema. Sein Ansatz: neue Zelte und Hilfe von der Bundeswehr. Lässt das nicht sehr tief blicken? Zum einen im Hinblick auf den bevorstehenden Herbst (von der Menschenunwürdigkeit einer Zeltunterbringung einmal ganz zu schweigen) und zum anderen darauf wie einem Kriegsflüchtling wohl zumute ist wenn er in dem Land, in dem er um Asyl bittet, von Militär „betreut“ wird!
Doch sind die anderen besser? Mecklenburg-Vorpommern will (laut einer Meldung von vergangener Woche) bei der Abschiebung abgelehnter Asylbewerber rücksichtsloser vorgehen. So sollen künftig auch Abschiebungen bei Nacht und ohne vorherige Ankündigung möglich sein. 40 bis 45 Prozent der Flüchtlinge im Land hätten kein Anrecht auf Asyl, so Innenminister Lorenz Caffier (CDU). Viele würden vor der Abschiebung untertauchen. Ist das die deutsche Willkommenskultur oder ist das Fremdenfeindlichkeit?
Und wenn man über den deutschen Tellerrand hinausschaut? Die EU will Anfang Oktober in Zusammenarbeit mit der NATO die zweite Phase ihrer Militäroperation im Mittelmeer beginnen. Ziel ist das möglichst weitgehende Abschneiden des Fluchtwegs nach Europa. Die erste Phase läuft schon seit Ende Juni. Offiziell dient diese dem Sammeln von Informationen über die Netzwerke der Menschenhändler am Südrand des Mittelmeers. Die deutsche Marine ist daran mit einer Fregatte und einem Versorgungsschiff beteiligt. In der zweiten Phase sollen Flüchtlingsschiffe in internationalen Gewässern gestoppt und durchsucht werden, um vielleicht an Bord befindliche „Schlepper“ zu finden und festzunehmen. Deren Schiffe können beschlagnahmt und später zerstört werden.
Am vergangenen Dienstag wurde noch weitaus schlimmeres bekannt, was nicht nur in allerhöchstem Maße menschenverachtend ist, sondern die Eskalationsspirale weiter in die Höhe schraubt. Nämlich dass Frankreichs Präsident François Hollande die Milizen des „Islamischen Staates“ (IS) auch über syrischem Hoheitsgebiet aus der Luft angreifen lassen will. Die Entsendung französischer Bombenflugzeuge über Syrien rechtfertigte er unter anderem damit, dass der IS nach Erkenntnissen der Geheimdienste Terroranschläge nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa plane. Die Kriegsflüchtlinge aus der Arabischen Republik (also Syrien) und aus anderen Kriegsgebieten des Mittleren Ostens will Hollande „im Einvernehmen mit Kanzlerin Merkel“ künftig bereits in „Zentren an den Grenzen der Europäischen Union“ abfertigen lassen.
Wie soll dies alles genannt werden? Fehlen einem nicht einfach nur die Worte? Da trifft Feuer mit Feuer bekämpfen nicht zu. Ist es nicht eher zutreffend, davon zu sprechen sich inmitten eines Feuers als Brandstifter zu betätigen und einen weiteren Brand zu entfachen?
Wieder einmal ist es hierzulande die so hochgelobte Privatinitiative, die den Flüchtlingen Hilft. Um nicht falsch verstanden zu werden: Glücklicher Weise gibt es sie. Das Engagement ist aller ehren, des Lobes und des Dankes wert. Aber es ist das gleiche wie bei den bundesweiten „Tafeln“: Es handelt sich um ein Feigenblatt, dass nur etwas notdürftig versteckt: Nämlich die Unfähigkeit bzw. das nicht Wollen der Politik den sozialen und humanitären Aufgaben nachzukommen, zu denen sie nachzukommen verpflichtet sind. Somit werden diejenigen vom Handeln entbunden, die zu Handeln verpflichtet sind. Das Gegenteil aber können sie perfekt: weltweit humanitäres Leid mit ihren Kriegen anrichten.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.