Sendung 347 vom 02.04.2015
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Die wochenlang vollzogenen Prozeduren einer bedenklichen wie merkwürdigen Gratwanderung und Tauziehen zwischen verfassungsgestützter Versammlungsfreiheit und Demonstrationsrecht einerseits und den kapitalsichernden Ordnungsorganen andererseits sind augenscheinlich vorüber. Aber die unzähligen Fragen und Fragwürdigkeiten, die im Vorfeld, während und in der Nachfolgezeit um, über und wegen der großartigen Blockupy-Demonstration und den zum Teil von Ausschreitungen begleiteten Aktionen am Rande dieses Ereignisses aufgeworfen wurden, weisen einen bitteren Nachgeschmack auf, die allein zur Zweckerfüllung einer subtilen Ablenkung, Suggestion- und Überschattungsstrategie dienlich sein könnten.
Diesbezüglich wurden vor allem das Blockupy-Bündnis und Ulrich Willken, der linken Abgeordnete und zugleich Demonstration-Anmelder, ins Visier genommen, und regelmäßig mit vorbildlich phrasenhaften verbalen Anschuldigungen und der Eigentümlichkeit von darstellerischen und Bildkunst-Manie einer Bildzeitung und Co. überschüttet. Infolgedessen hat eine Koalition aus CDU, Grünen, SPD und FDP unter medialen Horrido-, Halali-Rufen nicht nur gegen das Blockupy-Bündnis, sondern auch gegen Die Linke und die Grüne Jugend aufgerufen. Es wurde also Rund um die Uhr an einer Mobbing-Packung gebastelt, an deren Ende die Linkspartei und das Blockupy-Bündnis in einem Schlag, zumindest in Verruf gebracht werden sollten. Wie weit soll noch gegangen werden? Jagd hin Jagd her, stehen wir vor einem historischen Déjà-vu?
Gilt normalerweise noch die Unschuldsvermutung, so ist im Fall von Blockupy jeder halbwegs linke kriminalisiert, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Es wurde hier medial vermutet, beschimpft und pauschalisiert, was das Zeug hält, mit wenigen Ausnahmen.
Hinzukommend sind die abgehaltenen Redebeiträge mancher Abgeordneten und Minister des hessischen Landtages während der Plenarwoche, zwischen dem 24. und 26. März. Die Deutungshoheit, gegen die sich die Abgeordneten von der Fraktion „Die Linke“ zu wehren haben, ist jedoch alles andere als Verfassungskompatibel. Ein seltsames Demokratieverständnis der Allianz von Vier Parteien nimmt sich das Recht, den oppositionellen Repräsentanten der Partei „Die Linke“ in aller Form Gewalttätigkeit zu unterstellen und sie durch Verunglimpfungen und Diskriminierung zu einem Bekenntnis zu bedrängen, das bereits seit 18.03. mehrfach seitens der Fraktionsvorsitzenden wie auch des linken Vizepräsidenten verlautbart und betont wurde, jedoch mit anderen Worten und anderen stilistischen Formulierungsgenre.
Dass trotz alldiesen unmissverständlichen Bekundungen zur „Distanzierung von Gewalt“, weiterhin Mutmaßungen bei den Landtagsabgeordneten und manchen Ministern aufkommen – Hypothesen, die keineswegs nachweisbar sind, ließe sich höchstwahrscheinlich durch die vorhandene Differenzierung der Grundhaltung, die Diskrepanz innerhalb der eigenen Reihen und ihren politischen Ausrichtungen und Ausrichter begründen. Denn ausgerechnet diejenigen Parteien, die angeblich die Position der unnachgiebigen Gewaltverweigerer auf dem innenpolitischen Terrain einnehmen, werben auf den Sphären der Außenpolitik für Krieg, also für Gewalt.
Dies stellt aber deren Auslegung der Gewalt unter ein anderes Licht. Denn wie ist es denn möglich reibungslos solch eine zweischneidige Argumentationspalette, nämlich die rücksichtslosen Gewaltansprüche eines schwellenden Gemischs aus Expansionsambitionen, Rüstungsexport und massiver Aufrüstung samt ihren verheerenden Folgen auf der Ebene der Außenpolitik zu vertreten und für die Abwendung von Gewalt im Inneren zu plädieren und auf Glaubwürdigkeit hoffen? Wie sollte solch eine Schieflage und selektive Wahrnehmung des Gewaltverständnisses haltbar sein? Vor diesem Hintergrund, ja auf Basis dieser Tatsachen geht die zunehmende Militarisierung unweigerlich mit einer ruckartigen Überwachung und Drohkulisse einher, die folglich immer massiver und offenbarer alle ihre Widersacher und Widerständler, kritische Stimmen und Haltungen und linke Formierungen unter Druck und Verdacht stellt. Die aktuellen Plenarsitzungen im hessischen Landtag geben ein treffendes Bild zu dieser Entwicklung.
Während der Plenarwoche, von 24. bis 26. März, hebt ein eigenartiges Konglomerat von Missgunst, Unkenntnis über die Klassische Lektüren, Willkür und ideologischer Machtbesessenheit in einem Augenschlag die Grenzen zwischen den judikativen und legislativen Befugnissen auf, währenddessen sich der Plenarsaal des hessischen Landtags hin und wieder für mehrere Stunden in einen Gerichtsaal verwandelt. Beinahe fungieren die Abgeordneten der Regierungskoalition, der SPD und FDP in einer Prägung, die in weiterem Sinne die widrigen Gerichtsverhandlungen der 1950er Jahre in Amerika, bekannt als McCarthy-Ära, mit einem Beigeschmack von spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gerichtsverfahren, bezeichnet als Inquisition, ins Gedächtnis wachruft.
Ungeachtet dessen, was ein Gericht und dessen Aufgabebereich vehement von einem Parlament und dessen Zuständigkeit unterscheidet, werden die linken Abgeordneten attackiert und diffamiert. Es werden Passagen und Ausschnitte aus ihren abgehaltenen Reden, Interviews und Kommentare rezitiert, mit polemischem und demagogischem Geschick aus dem Konzept rausgerissen und verfälscht und im Typus einer Selbstjustiz-Parabel dargelegt; mittendrin und immer wieder hört man den tadelnden Hinweis auf eine von linken Abgeordneten vermeintlich verpassten Chance zur Reue und Distanz…, um so die mutmaßliche Neigung der Linken Abgeordneten zur Gewalttätigkeit zu untermauern.
Gewiss sollte die Achtung der Verfassung dieser 2+2er-Allianz aus parlamentarischen Volksvertretern abhanden gekommen sein, denn das Gebot der Redefreiheit und freien Meinungsäußerung ist ein hochgeschätztes Gut unserer Verfassung. Handelt es sich hierbei um einen Verfassungsbruch? Und wenn ja, aus welchem Grund stößt eine solche Verfassungswidrigkeit auf keine Ablehnung, weder im Hohen Haus, noch in irgendeinem Zeitungsverlag oder Rundfunkanstalt?
Blickt man noch einen Schritt zurück und schaut sich die Ereignisse auf der politischen Bühne an, die unmittelbar vor der Blockupy-Demonstration Schlagzeilen machten, begreift man die Logik hinter diesen Zweifelstaten klarer. Aufklärung in der NSU-Mordserie, NSA, Kali und Salz, REW-Abschaltfolgen, Flughafen Kassel-Calden, Fluglärmproteste, Dagger Komplex, Pegida Gegendemonstrationen usw., einschließlich der im Landtag und Bundestag gestellten Anfragen und Anträge, Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und Petitionen und Initiativen. Die Thematisierung und Verfolgung all der erwähnten Landes- und Bundes-Pannen und Plagen ist vor allem bei der Linkpartei aufgehoben.
Nun, was Bockupy angeht, das Bündnis selbst hat sich ganz klar auf friedliche Aktionen verständigt, gerade im Zusammenhang mit den polizeilichen Gewaltexzessen vor zwei Jahren. Kann es also sein, dass eigentlich ein Erklärungsbedarf von ganz anderer Seite geleistet werden müsste?
Und was ist mit den Bemerkenswerten Feindseligkeit von Seiten der CDU, CSU, SPD und Grünen, die der Blockupy-Bewegung und ihren Initiatoren entgegengebracht werden. Von „kriminellem Pack“ ist die Rede, von „Dummgeschwätz“ und „Lüge“. Von „geistige Brandstifter“ und „Gewaltbefürworter“. Nicht nur im hessischen Landtag, auch bundesweit. Hassprediger im Amt der Volksvertreter? Sehr bedenklich.
Da passt es beinahe zu gut, um Zufall sein zu können: Nur zwei Tage, nachdem in Frankfurt am Main während der Blockupy-Proteste gegen die Europäische Zentralbank eine Reihe von Polizeiautos in Flammen aufging, verkündet Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in Berlin, eine neue „Anti-Terror-Einheit“ aufstellen zu wollen.
Diese solle Teil der Bundespolizei werden und die Lücke zwischen Bereitschaftspolizei und der sogenannten Eliteeinheit GSG9 schließen, berichtete das rbb-Inforadio unter Berufung auf Regierungskreise. Im Unterschied zur GSG9 solle die neue Einheit auch für normale Polizeidienste herangezogen werden. Die Militarisierung im Inneren schreitet also offensichtlich munter voran!
Eine Sprecherin des Innenministeriums bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur dpa, es gebe „verschiedene Überlegungen“ zur Umstrukturierung der Sicherheitsbehörden. Die Idee einer neuen Anti-Terror-Einheit sei Teil dieser Überlegungen. Die Beratungen seien aber noch nicht abgeschlossen, betonte sie.
In dieses Repressionspaket passen selbstverständlich auch die Pläne und die Diskussion über die „unverzichtbare“ Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Was schert das Merkel/Gabriel-Regime schon das Grundgesetz. Notfalls schafft es das mit seiner 80% Mehrheit einfach ab!
Maßlos schimpfende Politiker der herrschenden Klasse sowie eine voranschreitende Radikalisierung der Repressions- und Überwachungsmaßnahmen gegen die Bürger dieses Staates. Offensichtlich liegt Blockupy mit seiner geäußerten Kritik am Kapitalismussystem gar nicht mal so falsch!
Oder besser gesagt: Wie richtig muss es liegen, wenn die Politiker dieses Landes dermaßen unbeherrscht, hysterisch und verärgert reagieren!
Goldrichtig kann man nur sagen. Anders ist dies alles nicht zu erklären!
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.