Sendung 262 vom 11.10.2012
Willkommen bei einer neuen Folge von „Die Vergessenen dieser Welt!“. Ich begrüße unsere Zuschauer zu der heutigen Sendung, die den Titel trägt: “Mit strukturierter Legitimität von Gewaltanwendung hin zur Errichtung eines rigiden Überwachungsstaates!“
Vor nur wenigen Monaten hat sich spontan ein breites Bündnis aus Bürgerrechtlern, Netzaktivisten, diversen Organisationen und Parteien gebildet, um seine Ablehnung gegen das Anti-Piraterieabkommen “Acta“ durch bundes- und weltweite Veranstaltungen, Demonstrationen und Aktionen unmissverständlich kundzutun, mit Erfolg. Und damit wurde durch die gesellschaftlich politische Präsenz der „Ungehorsamen“ ein bedeutender Fortschritt gegen das Diktat der herrschenden Eliten errungen.
Man könnte meinen somit ist die Sache vom Tisch. Jedoch entpuppt sich nun dieser Sieg als ein Pyrrhussieg, denn mit dem sogenannten Clean IT Project haben die das Volk beherrschenden Politiker eine neue Idee aus dem Hut gezaubert. Der Acta Nachfolger, Clean IT Project, wird von der EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström finanziert und soll abseits bestehender Gesetze „Richtlinien oder Gentlemen’s Agreements“ zwischen Regierungen und der Internet-Wirtschaft erarbeiten, da die Vergangenheit gezeigt habe, dass es schwierig sei, Gesetze zur Überwachung des Internets auf den Weg zu bringen, solle jetzt der Ansatz gewählt werden, dass sich Provider und ähnliche Dienstleister auf freiwilliger Basis verpflichten, den Kontrollwünschen der EU nachzukommen, so Malmström wörtlich.
Mit dem „Clean IT Project“ plant die EU ein neues Projekt, das eine Kontrolle – nicht nur des Internets – vorsieht, wie sie bislang höchstens in totalitären Staaten vorstellbar war.
Nach dem Scheitern von Acta ist der Drang nach Kontrolle und Überwachung seitens der Regierungen europaweit nicht verschwunden, sondern gestiegen. EDRi, eine internationale Vereinigung von Bürgerrechtsorganisiationen hat vor Kurzem einen als geheim deklarierten Entwurf für die Ziele von Clean IT veröffentlicht und offenbart ebenso weitreichende wie absurde Forderungen des Teams um die EU-Kommissarin Malmström. Zur Rechtfertigung der Notwendigkeit jenes Gesetzentwurfes wird stets der Kampf gegen den Terror hergehalten, ohne dass jemals definiert wird, welche Aktivitäten unter diesen Begriff fallen bzw. fallen würden.
Das Projekt enthält unter anderem folgernde Vorschläge:
1. Verlinkungen auf Websites mit sogenanntem terroristischem Inhalt sollen für illegal erklärt werden.
2. Strafverfolgungsbehörden sollen Internet-Provider direkt anweisen dürfen, welche Inhalte zu löschen sind.
3. Richtern, Staatsanwälten und Polizisten ist erlaubt, sogenannte terroristische Inhalte aus dem Internet entfernen zu lassen.
4. Die Internet-Provider müssen ein automatisches Filtersystem implementieren, das „Logos, Inhalte, IP-Adressen, Namen, E-Mail-Adressen, Hyperlinks und Schlüsselwörter ideologische Termini und Flüche“ erkennt. Zudem müssen sie dafür verantwortlich gemacht werden können, wenn sie nicht rigoros genug filtern oder die von dem Filtersystem erkannten Inhalte nicht schnell genug löschen.
5. Spezielle Internetpolizisten sollen, unter anderem, in sozialen Netzwerken patrouillieren.
6. Die Internetprovider sollen die Möglichkeit zur Sperrung von Webseiten implementieren.
7. Anmeldungen bei Diensten wie Email, sozialen Netzwerken etc. dürfen nur noch mit realem Namen erfolgen und deren Bilder müssen echt sein.
8. In Browser und Betriebssystemen muss ein Alarmknopf zur Meldung verdächtiger Aktivitäten eingebaut sein. Die Meldung wird von Strafverfolgungsbehörden überprüft.
Den jeweiligen Bürgersanktionen und Bürgerrechtverletzungen kämen allein die fatalsten demokratieverfeindeten Versionen und Fiktionen einer kritischen Literatur- und Filmindustrie heran, deren Abhandlungen die Absurdität des Totalitarismus demaskieren versuchen. Und das ist das System des Kapitalismus, das mit allen Mitteln und jedweden Repressionen um sein Überleben kämpft! Wer sind nun die wahren Terroristen? Nicht etwa jene maßgebenden Entscheidungsträger dieses Systems, die deren rechtswidrig erlangten Gewinne und ihre Aufrechterhaltung, beharrlich und hämisch, über das Recht der Bürger hinwegzusetzen versuchen?
Verbindet man die oben genannten Pläne mit den Polizeiprügelorgien bei den Räumungen von Occupy-Camps weltweit, sowie den faschistoiden Exzessen Frankfurter und hessischer Polizei und Sicherheitskräften unter dem Ministerpräsidenten Volker Bouffier und seinem Helfer Boris Rhein anlässlich der Blockupydemonstrationen und den erneuten Repressionen bezüglich der geplanten Veranstaltungen von Blockupy am 20. und 21. Oktober dieses Jahres, so kristallisiert sich die wahre Gesinnung und Ambitionen deutscher und europäischer Machthaber und ihres kapitalistisch/neoliberalen Systems heraus.
Ist es falsch, zumindest von einem Zerrbild eines demokratischen Staates zu sprechen, wenn auf der einen Seite solche Unterdrückungs- und Repressionspläne geschmiedet werden und andererseits immer neue Vertuschungs- und (man muss sagen) Unterstützungsaktivitäten seitens deutscher Geheimdienste und des Verfassungsschutzes, in Bezug auf die Rechtsterroristen der NSU-Terrorgruppe auftauchen, die sogar Vermutungen aufkommen lassen, dass die Rechtsterroristen selbst von Mininisterpräsidenten gedeckt wurden?
Wie ist es möglich, das einerseits deutschland- und europaweit demokratische Bürger und Bewegungen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft und von der sogenannten Exekutive niedergeprügelt werden und gleichzeitig den rechtsextremen Tür und Tor geöffnet wird und sie ungestraft Morden und Töten konnten und können? Geschweige denn, dass sich die gleichen herrschenden Mächte für ihre angeblichen Demokratisierungsoperationen in diversen Staaten trotz verheerenden physischen, psychischen und infrastrukturellen Folgen für die jeweilige Bevölkerung am liebsten sogar auszeichnen ließen, wenn dank Wikileaks die Überdimensionalität ihrer Machenschaften nicht durchgelüftet worden wäre, wofür einen der Wikileaks-Gründer, Julian Assange seit Monaten um seine Freiheit und um sein Leben bangen muss.
Verbindet man dies alles mit einer erneuten Meldung über einen rekrutierten Neonazi bei den Bundeswehrtruppen in Afghanistan, wie es ähnlich unzählige seit Bestehen der Bundeswehr gibt, so ist es um Potenzen erschreckender, wenn man dabei bedenkt, dass zukünftig Bundeswehr – Nazis rechtens gegen die bisweilen als freiheitlich und unantastbar bezeichneten Rechte der Bürger im Inneren der Bundesrepublik eingesetzt werden können, wie es dem jüngst vom Bundesverfassungsgericht das Terrain in Aussicht gestellt wurde.
Es entsteht somit ein Gesamtbild von erschöpftem Kapital, nicht agilem politischen System, von organisiertem rechtsextremistischen Verbrechen und den hinkenden legislativen, dessen gesellschaftlicher Handlungsspielraum und ordnungspolitische Funktion nicht nur auf die umfassende Kontrolle der Bürger abzielt. Welche Planungen und unbedachten Entwicklungen noch weiter dahinter stehen, kann bisher nur vermutet werden. Damit könnten wir aber auch die Hoffnung pflegen, dass noch die Chance besteht, dagegen zu agieren und aufzubegehren. NOCH UND IMMER NOCH!
Damit verabschiede ich mich von ihnen und hoffe wir sehen uns bei der nächsten Sendung wieder.
Quelle:
Computerzeitschrift Chip