Sendung 228 vom 10.11.2011
Guten Tag liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich begrüße sie zu Folge 228 von „Die Vergessenen dieser Welt!“. Die heutige Sendung beschäftigt sich mit dem Iran und ist übertitelt mit: Kriegsgeschrei.
Seit einer Woche berichten die israelischen Medien über nahe bevorstehende Militärschläge gegen Iran. Begleitet wird das Kriegsgeschrei von Raketentests, Manövern und Notstandsübungen, die angeblich schon seit mindestens einem halben Jahr geplant waren und nun ganz zufällig innerhalb einer einzigen Woche zusammenfallen.
Am Freitag voriger Woche kehrten israelische Kampfflugzeuge von einer fünftägigen Teilnahme an einer NATO-Übung auf Sardinien zurück. Ein zentrales Thema war dabei das Auftanken in der Luft während längerer Flüge, wie es bei Angriffen gegen Ziele im Iran erforderlich wäre. Außerdem trainierten die israelischen Piloten gemeinsam mit deutschen und italienischen Kollegen das Agieren in Luftkämpfen. Danach meldete Israel den »erfolgreichen« Test einer ballistischen Rakete, deren Reichweite den Iran einschließt und die mit einem nuklearen Sprengkopf ausgerüstet werden kann.
Begonnen hatten die tollen Tage mit einem Artikel in der meistgelesenen Zeitung Israels. Der Verfasser ist einer der bekanntesten und angesehensten Journalisten des Landes. Seine Behauptung, für die er sich ausschließlich auf anonyme Insiderquellen berief: Premierminister Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak seien fest entschlossen, in naher Zukunft Luftangriffe gegen die iranischen Atomanlagen anzuordnen.
Im Kanal 2 des israelischen Fernsehens drohte Präsident Schimon Peres zuletzt, dass Israel »und die Welt« bald kriegerische Maßnahmen ergreifen müssten, da Iran dem Besitz von Atomwaffen immer näher komme. »In der verbleibenden Zeit müssen wir die anderen Nationen zum Handeln drängen und ihnen sagen, daß es an der Zeit ist, hinter dem uns gegebenen Versprechen zu stehen, ihre Verantwortung zu erfüllen, ob das nun ernsthafte Sanktionen oder militärische Operationen bedeutet – so Peres.
Warnungen aus Washington vor einem israelischen Alleingang gegen Iran ließen denn auch diesmal nicht auf sich warten. Allerdings scheint die US-Besorgnis größer als sonst zu sein. Laut Aussage eines namentlich nicht genannten Mitglieds der Obama-Regierung gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN scheint Washington den Israelis zunehmend zuzutrauen, auch ohne vorhergehende Abstimmung mit den USA gegen Iran loszuschlagen. Dazu müßte auf israelischer Seite auch die Bereitschaft gehören, die ersten massiven iranischen Vergeltungsschläge mit Raketen gegen Ziele in Israel zu absorbieren. Erst danach dürfte es durch die mediale Ausschlachtung der Zerstörungen in Israel der zionistischen Lobby gelingen, die öffentliche Meinung in den USA für einen Krieg gegen Iran zu mobilisieren. Der aber– und darüber ist sich Washington im klaren – würde sowohl militärisch als auch politisch und wirtschaftlich verlustreicher sein als alle bisherigen US-Kriege im Nahen Osten. Daher hat Washington bisher auch alles getan, einem Krieg gegen Iran aus dem Weg zu gehen.
Vor dem Hintergrund der israelischer Kriegsdrohungen haben die USA und Frankreich weiterhin ihre Entschlossenheit bekräftigt, »den beispiellosen internationalen Druck auf den Iran weiter aufrechtzuerhalten«. Ob das als eine Distanzierung von den in Israel seit einer Woche turbulent diskutierten Plänen für Militärschläge gegen Iran zu verstehen ist, bleibt offen.
Viele Kommentatoren, darunter der Friedensaktivist Uri Avnery, bewerten den israelischen Medien- und Politikerrummel um angebliche Kriegspläne gegen Iran als propagandistischen »Bluff«. Der Kolumnist Amos Harel schrieb – anscheinend zufrieden mit dem Ergebnis – am Freitag in Haaretz: »Die Drohung mit israelischen Militäraktionen erhöht die Chancen, daß die Welt gegenüber dem Iran eine feste Haltung einnimmt. Beispielsweise ist es möglich, daß der Sicherheitsrat jetzt über die Verhängung von neuen, einschneidenderen Sanktionen gegen Iran diskutiert.«
Das russische Außenministerium hat dazu mit einer bisher nicht praktizierten Klarheit, Offenheit und Direktheit Stellung genommen. In der auf der Website des Ministeriums veröffentlichten Erklärung wird vor den Bemühungen der US-Regierung gewarnt, Einfluß auf den Inhalt des nächsten Vierteljahresberichts des Generaldirektors der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Jukija Amano, zum Stand des iranischen Atomprogramms zu nehmen.
Rußland hat am Montag die israelischen Kriegsdrohungen gegen Iran verurteilt. Gegenüber Journalisten wies Außenminister Sergei Lawrow darauf hin, daß man solche Ankündigungen »bei weitem nicht zum ersten Mal« höre. »Unsere Haltung zu diesem Thema ist wohlbekannt: Das wäre ein ernster Fehler, der das Risiko unvorhersehbarer Folgen in sich trägt.« Der einzige Weg, um mögliche Sorgen über das iranische Atomprogramm zu beseitigen, bestehe darin, alle nur erdenklichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen dem Iran und der Sechsergruppe zu schaffen, die aus China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Rußland und den USA besteht.
Wie die Entwicklung nun weitergeht scheint allerdings offen. Die israelische Regierung besteht aus einem Haufen unberechenbarer irrer und neben dem amerikanischen imperialen Machtstreben benötigt der amerikanische Kriegspräsident mit Friedensnobelpreis dringend etwas um von den zunehmenden sozialen Unruhen innerhalb der USA und den immensen innenpolitischen Problemen der USA abzulenken.
Und dazu war und ist Krieg immer gut. Bleibt zu hoffen, dass es nicht soweit kommt.
Guten Tag
Quellen:
Tageszeitung Junge Welt
AG Friedensforschung, Uni Kassel