Sendung 212 vom 09.06.2011
Guten Tag liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich begrüße Sie zu einer weiteren Folge von „Die Vergessenen dieser Welt!“. In der heutigen Sendung thematisiere ich zwei innerdeutsche Themen, da sie in ihrer Tragweite ein bisschen untergegangen sind. Die Sendung trägt den Titel: Ein-Euro-Jobs und Militär.
Wenn ein Hartz-IV-Empfänger dazu gedrängt wird, einen unzulässigen Ein-Euro-Job anzunehmen, dann stehen seine Chancen sehr gut, den branchenüblichen Tariflohn zu bekommen. Wehrt er sich, kann er sich künftig auf zwei richtungsweisende aktuelle Urteile des Bundessozialgerichts berufen (Az: B 14 AS 98/10 R; B 14 AS 101/10 R).
Nach den kürzlich veröffentlichten Entscheidungen steht Ein-Euro-Jobbern der Tariflohn zu, wenn ihre Arbeit dazu geeignet ist, eine reguläre Stelle zu verdrängen. Denn Langzeiterwerbslose dürfen laut Sozialgesetzbuch nur in eine zusätzliche Stelle vermittelt werden, die im öffentlichen Interesse liegt – eine »Arbeitsgelegenheit« also, die es sonst in dieser Form nicht geben würde. Das Gericht hatte über die Klage eines Betroffenen aus Mannheim zu entscheiden, der in seinem Ein-Euro-Job als Umzugshelfer eingesetzt worden war. Es habe sich hier nicht um zusätzliche Arbeiten gehandelt, stellten die Richter fest. Der Mann bekommt jetzt den einem Umzugshelfer zustehenden Tariflohn erstattet.
Nach Ansicht der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) haben die Richter damit ins Schwarze getroffen. Nun empfiehlt die Gewerkschaft ihren Mitgliedern, Massenklagen für Tariflohnnachzahlungen auf den Weg zu bringen. Sie könnten dafür den Rechtsschutz der DGB-Gewerkschaften in Anspruch nehmen, teilen in diesen Tagen zahlreiche örtliche IG-BAU-Bezirksverbände ihren Mitgliedern mit.
Im Kasseler Urteil und in der schon zuvor vom Bundesrechnungshof getroffenen Feststellung, dass bei etwa der Hälfte aller Ein-Euro-Jobs bundesweit die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung fehle, sehen nun Kritiker von Ein-Euro-Jobs neue Bestätigung. »Bisher sind dadurch bundesweit rund 150000 reguläre Arbeitsplätze weggefallen«, monierte ein IG-BAU-Sprecher.
In der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden fehlen nach Recherchen der Gewerkschaft gar bei drei Viertel aller örtlichen Ein-Euro-Jobs die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung. Die Kommune hatte in den letzten Jahren im Zusammenhang mit Ein-Euro-Jobs mehrfach Schlagzeilen gemacht. CDU und SPD, die jetzt für die kommenden fünf Jahren eine Rathauskoalition vereinbart haben, wollen den bisherigen Kurs fortsetzen.
Kritiker weisen seit langem darauf hin, dass die Wiesbadener Stadtverwaltung zahlreiche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze durch Ein-Euro-Jobs ersetzt habe, und beklagen dies als einen mit Bundesmitteln öffentlich subventionierten Abbau von regulären, versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen. So seien seit der Umsetzung der Hartz-Gesetze in der direkten Verantwortung der Stadt mindestens 100 versicherungspflichtige Arbeitsplätze direkt oder indirekt abgebaut, verdrängt oder nicht wieder besetzt worden, erklärt die örtliche IG BAU.
Debatte um Jugendoffiziere im Unterricht Bundeswehr auf Werbefeldzug in Schulen, ein fragwürdiger Einsatz, um Nachwuchs für die Bundeswehr zu rekrutieren! Lehrerverband und Eltern streiten darüber, ob Jugendoffziere der Bundeswehr Vorträge in Schulen halten sollen – und ob Schüler daran teilnehmen müssen.
Der Deutsche Lehrerverband hat wenig Verständnis für die Kritik am Einsatz von Jugendoffizieren der Bundeswehr an Schulen. „Die Schüler können Fragen stellen, die Lehrer nicht beantworten können“, sagte Präsident Josef Kraus in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Die bundesweit fast 100 hauptamtlichen Offiziere treten als Referenten im Unterricht auf und organisieren Exkursionen in Kasernen. Viele Kultusministerien haben durch Kooperationsabkommen die Bundeswehr mittlerweile als Bildungspartner institutionalisiert.
Kraus reagierte auf Vorwürfe, dass die Gastredner den Politik-Unterricht zur Rekrutierung nutzten, da die Bundeswehr wegen des Wegfalls der Wehrpflicht viele Freiwillige und Berufssoldaten benötige. „Die Jugendoffiziere verfügen über eine Expertise, die kein Lehrer haben kann.“ Die Schüler interessierten sich etwa für Erlebnisse der Soldaten in Afghanistan, so Kraus, der auch Direktor eines bayerischen Gymnasiums ist.. Seine Lehrer hätten nur gute Erfahrungen mit den Gästen gemacht – schließlich handele es sich bei der Bundeswehr um „ein Verfassungsorgan“.
Friedensinitiativen und auch ein Arbeitskreis der Bildungsgewerkschaft GEW befürchten dagegen, dass Schulen durch die Referenten „unter die ideologische Kontrolle der Bundeswehr“ geraten. Es werde versucht, bewaffnete Konflikte den Kindern als Normalität zu verkaufen.
Die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Ulla Jelpke, spricht von „systematischem Werben um junges Kanonenfutter“ – Rekrutierung sei das Ziel, nicht politische Bildung. Eine SZ-Reportage im Sommer 2010, bei der zwei Schulklassen in der Nähe von Bonn begleitet wurden, hatte allerdings gezeigt, dass ein direktes Anwerben nicht stattfindet. Inwiefern durch die sympathische Darstellung der Armee Beeinflussung indirekt erfolgt, dürfte kaum messbar sein. Zudem hatte der Ortstermin gezeigt, dass das Interesse der Schüler in diesen Fällen gering war, sie stellten nur spärlich Fragen an den Offizier.
Der Bayerische Elternverband hat sich kürzlich mit einer Petition an den Landtag gewandt, in der gefordert wird, dass Schüler den Veranstaltungen „aus Gewissensgründen“ fernbleiben dürfen – die Teilnahme also freiwillig wäre. Zudem würde es zur politischen Bildung gehören, Sicherheitspolitik von allen Seiten zu beleuchten und verstärkt Friedensaktivisten an Schulen einzuladen.
Guten Tag
Quellen:
Tageszeitung Junge Welt
Süddeutsche Zeitung