Sendung 331 vom 16.10.2014
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Rund 30 Geberländer und ebenso viele internationale und private Hilfsorganisationen wollen den Wiederaufbau des palästinensischen Gazastreifens finanzieren. Das ist das Ergebnis einer internationalen Konferenz, die am Sonntag auf Einladung von Norwegen und Ägypten in Kairo stattfand. Insgesamt wurden 5,4 Milliarden US-Dollar (4,3 Milliarden Euro) zugesagt. Die Hälfte des Geldes ist für den Wiederaufbau vorgesehen, die andere Hälfte fließt in den Haushalt der palästinensischen Autonomiebehörde, um bis 2017 die laufenden Kosten, Gehälter und Sicherheitskräfte zu finanzieren.
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hatte insgesamt 8,5 Milliarden US-Dollar gefordert. Zur Begründung hatte Abbas auf die Arbeit der neu gebildeten Regierung der nationalen Einheit verwiesen, für die dringend neue Institutionen und Arbeitsplätze geschaffen werden müssten.
Den weitaus größten Beitrag für den Wiederaufbau versprach das Emirat Katar mit 1 Milliarde US-Dollar (790 Millionen Euro). Die USA sagten die Zahlung von 212 Millionen US-Dollar (167 Millionen Euro) zu, die Europäische Union will 450 Millionen Euro bezahlen. Schweden, das vor wenigen Tagen erst die offizielle Anerkennung Palästinas bekannt gegeben hatte, wird 79 Millionen Euro Beisteuern.
Deutschland übernimmt zusätzlich zu dem EU-Beitrag die Zahlung von 50 Millionen Euro. Ein verwunderliches Almosen, wenn man bedenkt, dass die Regierungen der Bundesrepublik an Israel atomwaffenfähige U-Boote liefern und hierbei 900 Millionen Euro (also fast eine Milliarde) zuschieschießen, als Subventionen oder geschenkte U-Boote. Es wäre sicher nicht falsch, die deutschen Entscheidungsträger auf diese Diskrepanz hinzuweisen und eine Antwort darauf zu fordern!
Wie nicht anders zu erwarten, waren Vertreter Israels nicht anwesend, als ihre politischen Verbündeten in aller Welt sich anschickten, die Rechnung für den Schaden zu begleichen, den die Streitkräfte des Landes mit dem Angriff auf den Gazastreifen hinterlassen haben. Fraglich bleibt zudem, wie zügig die zugesagten Hilfslieferungen den Gazastreifen erreichen werden. Israel hält an der völkerrechtswidrigen Abriegelung des Gazastreifens fest und beansprucht die totale Kontrolle über alles, was dorthin geliefert wird. Insbesondere bei Baumaterial verlangt Israel Namen und Adressen der Empfänger des Materials sowie Angaben darüber, wofür es verwendet werden soll.
Der israelische Außenminister Avigdor Lieberman erklärte, „ohne die Kooperation und Teilhabe Israels“ könne „Gaza nicht wiederaufgebaut werden“. Lieberman hatte während des Krieges für die erneute Besetzung des Palästinensergebietes plädiert.
Die Palästinenser fordern die Aufhebung der hermetischen Abriegelung ihres Wohngebietes sowie den Wiederaufbau des mit EU-Mitteln gebauten und von Israel zerbombten Flughafens. Auch ein internationaler Hafen soll wieder geöffnet werden. Israel lehnt das ab.
Der von 1,8 Millionen Menschen bewohnte Gazastreifen war bei dem jüngsten 50tägigen Krieg im Juli und August massiv zerstört worden. Mehr als 2.200 Palästinenser waren bei den Angriffen der israelischen Streitkräfte getötet worden, zwei Drittel von ihnen waren Zivilisten. Auf israelischer Seite gab es 78 Tote, darunter sieben Zivilisten.
Mehr als 12.000 Palästinenser wurden verletzt, viele werden die Narben und Verstümmelungen ihr Leben lang behalten. Schwer zerstört wurde auch die zivile Infrastruktur des Küstenstreifens. Neben mehr als 20.000 Wohnhäusern, Straßen und landwirtschaftlichen Anlagen wurden mindestens 60 Schulen, Moscheen und Krankenhäuser sowie Wasser- und Elektrizitätswerke von der israelischen Armee zerbombt. Es war der dritte Krieg innerhalb von sechs Jahren, der den Gazastreifen zerstörte.
Viele Staaten haben mittlerweile Zweifel, ob eine neu aufgebaute Infrastruktur im Gazastreifen Bestand haben kann. Ohne eine politische Lösung und die Anerkennung eines palästinensischen Staates gilt vielen ein neuer Krieg nur als eine Frage der Zeit. Der ägyptische Präsident Al-Sisi erinnerte an die Arabische Friedensinitiative aus dem Jahr 2002, die unter dem Namen „Land für Frieden“ bekanntgeworden war und von Israel zurückgewiesen wurde.
Zuletzt hatte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei der UN-Vollversammlung in New York gesagt, mit Anpassungen entsprechend den zwischenzeitlichen Entwicklungen könne der Friedensvorschlag nun verhandelt werden. Israel hat seit dem Osloer Abkommen von 1993 nahezu ungebremst illegale Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten gebaut. Kurz vor der Geberkonferenz in Kairo konfiszierte Israel erneut Land bei Bethlehem, östlich von Ostjerusalem. Ostjerusalem soll gemäß dem Osloer Abkommen Hauptstadt des Staates Palästina werden. Sprechen solche Worte und Taten nicht für sich?
Was die israelische Regierung und dessen Militär im Gazastreifen getan hat, grenzt an Völkermord und ist vor allem völkerrechtswidrig. Wenn die verantwortlichen Entscheidungsträger, bedingt durch die schützende Hand der USA und seiner westlichen Vasallen, schon nicht vor den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kommen, ist es dann zu viel verlangt die Forderung aufzustellen, dass die israelische Regierung sich an den Kosten des Wiederaufbaus beteiligt?
Schließlich haben sie den Schaden angerichtet. Und darüber hinaus wäre eine finanzielle Beteiligung Israels eine nicht zu unterschätzende Geste für einen dauerhaften Frieden. Aber es scheint wohl nicht nur so, dass Israel gerade daran überhaupt nicht interessiert ist. Sonst würde es anders handeln – oder?0
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.