Sendung 305 vom 16.01.2014
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Am vergangenen Samstag, dem 11. Januar fand in Berlin die 14. Rosa Luxemburg Konferenz statt, die wir besucht haben. Einmal im Jahr lädt die Tageszeitung junge Welt mit Unterstützung zahlreicher Organisationen und Gruppen nach Berlin ein. Im Sommer 2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal. Die 14. Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz in der Berliner Urania, war als Manifestation gegen imperialistische Kriege organisiert und soll Impulse für eine neue europäische Friedensbewegung setzen. Darum soll die heutige Sendung eine kurze Zusammenfassung, und Impressionen der Veranstaltung, präsentieren.
Als erster Referent sprach vor dem bereits gut gefüllten Großen Saal der Soziologe und Journalist Jörg Kronauer. Der Redner schlug einen Bogen von der deutschen Vorkriegspolitik vor dem ersten Weltkrieg zur ökonomischen Vorherrschaft Deutschlands im heutigen Europa. Im Kern habe die deutsche Reichsregierung in ihren Strategien bereits 1914 etwas verfolgt, das wie eine Vorahnung auf die Europäische Union wirke, so Kronauer. Er rief in diesem Zusammenhang die Kriegszieldenkschriften des deutschen Reichskanzlers Theobald von Bethmann Hollweg in Erinnerung. Diesem schwebte ein mitteleuropäischer Wirtschaftsverbund bei äußerlicher Gleichberechtigung, tatsächlich aber unter deutscher Führung, vor.
Mit großem Applaus belohnte das Publikum den Beitrag von Anders Kaergaard, der bewegend über seinen »Pfad zur Wahrheit« berichtete. Als das Land 2004 in den von den USA geführten Krieg gegen Irak eintrat, gehörte Kaergaard als Hauptmann dem Militärischen Nachrichtendienst der Königlich Dänischen Armee an. Mit seinen Enthüllungen über Menschenrechtsverletzungen bei einer Militäroperation im Irak löste er in seiner Heimat einen Skandal aus. Er werde niemals mehr Befehle entgegennehmen, nur noch seinem eigenen Gewissen folgen, betonte Kaergard. Er habe einen hohen persönlichen Preis für sein Handeln zahlen müssen, doch eine neue Familie gefunden: »Euch alle«.
Moderatorin Esther Zimmering begrüßte auf der Bühne die Berliner Grünenpolitikerin Canan Bayram, die das Protestcamp der Flüchtlinge auf dem Berliner Oranienplatz und vergleichbare Aktionen von Asylsuchenden bundesweit unterstützt. Bayram holte drei Vertreter der Flüchtlingsgruppe vom Oranienplatz zu sich aufs Podium – Menschen, denen die Kraft geblieben ist, sich gegen die Zustände in den Lagern, die Residenzpflicht, das Arbeitsverbot und andere Sondergesetze aufzulehnen.
Ein Kampfgefährte Nelson Mandelas am Rednerpult der Rosa-Luxemburg-Konferenz: Denis Goldberg erinnerte an das Credo Mandelas, dass Südafrika allen gehören solle, die dort leben.
In seinem Vortrag schlug Goldberg einen Bogen von der »Berliner Konferenz«, auf der 1884/85 Afrika unter den europäischen Kolonialmächten aufgeteilt wurde, über die Revolution in Kuba 1959, die auch für den Kampf im südlichen Afrika von großer Bedeutung war, bis hin zu blutigen Arbeitskämpfen von Bergarbeitern in seinem Land heute.
Erstes Podiumgespräch auf der Hauptbühne: junge Welt-Autorin Karin Leukefeld, Redakteurin Freja Wedenborg von der dänischen Tageszeitung Arbejderen, der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Anders Kaergaard, ebenfalls aus Dänemark, sowie Rainer Rupp, der einst als Kundschafter für die DDR im NATO-Hauptquartier arbeitete, diskutieren über die »Vierte Gewalt« und ihren Umgang mit Kriegen.
Medien machen Kriege erst möglich, ob »internationaler Terrorismus« oder »Schurkenstaat«, ob »Kreuzzug« oder »nationale Sicherheit« – es regiert die Fälschung. Und die ist nicht immer offensichtlich. Der heutige Berichterstatter der Mainstream-Medien ist in die Kampfhandlungen »eingebettet«. Bilder und Texte werden zensiert, vom Militär wie auch vielen Medienhäusern. Lange bevor der Reporter seine Arbeit beginnt, wird die Bevölkerung auf den Krieg eingestimmt. Was können Medien erreichen? Die Berichterstattung über den Einsatz im Irak unter dänischer Beteiligung offenbarte so die gesamte Lüge des Krieges. Die Geschichte wurde schließlich in allen Medien Dänemarks übernommen, die dänische Armee reagierte mit Leugnung des Vorgangs.
Daß es endlich einmal einen Whistleblower in der Bundeswehr gibt, darauf hofft Rüdiger Göbel, Mitglied der jW-Chefredaktion. Er solle sich allerdings nicht an Bild oder Spiegel wenden, wo die Kriegspropaganda weitergeführt würde, sondern an jW.
Michel Chossudovsky, kanadischer Professor für Wirtschaftswissenschaften, ist nicht zum ersten Mal als Referent auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz zu Gast. Leidenschaftlich machte er auch diesmal klar, welche Ziele imperialistische Kriege wirklich haben. »Die Art der Kriegsführung hat sich dramatisch verändert«, sagte Chossudovsky. Cyberwar und Destabilisierung stehe heute im Mittelpunkt.
Todesschwadronen verbreiten unter der Kontrolle westlicher Militärs Angst und Schrecken. Das sei die wahre Kultur dieser Kriegsführung. Das Ziel sei es, dem Westen genehme Regimes zu installieren, nicht anders als während der Aggressionen gegen Vietnam oder Kambodscha.
Es gebe eine interne Propaganda, die innerhalb der NATO und der Parlamente funktioniere. »Sie glauben ihre eigenen Lügen«, sagte Chossudovsky. Man müsse Menschen wie etwa Muslime dämonisieren, da sie in den Ländern leben, wo das Öl zu finden ist. Chossudovsky differenzierte drei Arten der Meinungsmache: Der bereits erwähnte interne Kampf um die Deutungshoheit in Parlamenten und Apparaten, die Medienberichterstattung des Mainstreams und die schlimmste Art, die Propaganda innerhalb progressiver Organisationen, die von Stiftungen, wie etwa Rockefeller, finanziert werde. Dahinter steckt immer dieselbe Absicht: Abbau von Vorbehalten gegen kriegerische Aggressionen.
1982 wurde der linke Radioreporter und Ex-Black-Panther Mumia Abu-Jamal als angeblicher »Polizistenmörder« zum Tode verurteilt. Mumia wurde weltweit zu einem Symbol für den Kampf der Unterdrückten und für die Ächtung der Todesstrafe. Mittlerweile ist die Todesstrafe in eine lebenslange Haft – ohne eine Aussicht auf Bewährung – umgewandelt worden. Doch der Kampf um Mumias Freiheit – und gegen das rassistische US-Justizsystem – geht weiter: Auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz verlaß Mumias Sohn eine Botschaft seines Vaters. Das Podium applaudierte lange und sandte Grüße der Konferenz in Mumias Gefängniszelle.
Die Haltung der Partei Die Linke in friedenspolitischen Fragen wurde zu einem zentralen Thema der der zweiten Podiumsdiskussion des Tages. Sie stand unter dem Motto: »Wie kann der Kampf gegen Faschismus, Krieg, Sozialabbau gebündelt werden?« Mit ihm auf dem Podium: Maria do Socorro Gomes Coelho (Präsidentin des Weltfriedensrats), Ulrich Schneider, Generalsekretär der Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer, der Vorsitzende der Partei Die Linke Bernd Riexinger sowie Monty Schädel für die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG-VK).
Auf die Frage, wie es um die Friedensbewegung bestellt sei, hob Monty Schädel hob hervor, daß es in der Bundesrepublik allerorts engagierte Friedenskämpfer gäbe. Aktuelle Themen seien der Waffenhandel, die US-amerikanischen Atomwaffen in der Bundesrepublik, die Ächtung von Drohnen, eine Schule ohne Militär. Ein Problem der Bewegung sei, so Schädel, daß viel zu viele Themen zu bearbeiten wären, was die wenigen Aktiven an die Grenzen ihrer Kräfte bringe.
Linke-Vorsitzender Bernd Riexinger betonte die Meinung der Gesamtpartei. Es sei Die Linke, die Aktionen der Friedensbewegung unterstütze. Diese Aktivitäten sollten verstärkt werden, so Riexinger. Eine Aufweichung der Position der Linken als Antikriegspartei fände nirgendwo in den Parteigliederungen eine Mehrheit. Die friedenspolitische Position der Linken dürfe nicht als »Türöffner« für mögliche Regierungsbeteiligungen aufgeweicht werden. Riexinger ging auf die Ursachen von Kriegen ein und nannte hier zuerst die soziale Frage. Diese müsse Die Linke stellen. Auch sollte die Partei Waffenexporte zum Thema machen. Dafür gebe es sowohl unter Jugendlichen als auch in Gewerkschaften eine große Sensibilität. Es sei möglich nachzuweisen, daß Konversion mehr Arbeitsplätze schaffe als die Kriegsproduktion.
Ulrich Schneider ging auf die »Ethnisierung des Sozialen« ein. Hier nannte er als Beispiel den »Krieg gegen Flüchtlinge«. Es sei ein Krieg, in dem wir uns in der »Festung Europa« gegen die draußen wendeten. Er wies auf die bevorstehenden Europa-Wahlen hin. Dies sei ein wichtiger Termin, um antifaschistische und linke Positionen ins europäische Parlament zu wählen.
Quelle:
Tageszeitung Junge Welt