Sendung 145 vom 12.11.2009
Guten Tag liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich begrüße Sie zu Folge 145 von „Die Vergessenen dieser Welt!“ In dieser Folge beschäftige ich mich mit dem Gazastreifen. Die Geschehnisse dort sind völlig vergessen, obwohl Israel ihn immer noch abgeriegelt hat und es weiterhin an allem fehlt.
Ein Bericht des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes unter dem Titel „Gaza: 1,5 Millionen in Verzweiflung gefangen“ zeichnet das furchtbare Bild einer humanitären Katastrophe.
Bei Israels Militäroffensive Anfang des Jahres in Gaza wurden 1.300 Menschen getötet, noch viel mehr verletzt, Tausende obdachlos und ein Großteil der Infrastruktur Gazas zerstört. Die meisten Menschen kämpfen ums Überleben. Schwerkranke erhalten kaum die notwendige Behandlung. Viele Kinder leiden unter enormen psychischen Problemen. Die Zivilisten, deren Wohnungen und Eigentum während des Konflikts zerstört wurde, finden nicht mehr in ein geordnetes Leben zurück. Die Güter, die nach Gaza gelangen, reichen bei Weitem nicht aus, den Bedarf der Bevölkerung wirklich zu decken.
Israel hat die Schlinge um Gaza fester zugezogen. Im Mai 2009 genehmigten die israelischen Behörden lediglich 2.662 – das sind täglich nicht einmal 90 – Güterlastwagen die Fahrt nach Gaza. Das ist weniger als ein Viertel der im April 2008 genehmigten 11.392 Frachten. Zur Versorgung mit dem Allernotwendigsten bräuchte es mindestens 250 LKW-Ladungen täglich. Gaza kann überhaupt nur Dank des Warenschmuggels durch die Tunnel unter der Grenze zu Ägypten überleben. Diese Tunnel waren im vergangenen Januar eines der Hauptziele der israelischen Bombardierungen. Und das bedeutet: Das Ziel des Israelischen Militärs war das Töten von Zivilisten.
Viele, die ihre Wohnung verloren haben, leben auf engstem Raum bei Verwandten, Tausende, die sonst keinen Platz finden, in Zelten. Strom- und Wasserversorgung sowie Kläranlagen wurden durch den Krieg zerstört. Die Lieferung neuer Wasserrohre, elektrischer Ersatzteile, von Pumpen und Transformatoren nach Gaza wurde nicht erlaubt. Zwar wurden einige der notwendigsten Reparaturen durchgeführt; der allgemeine Zustand ist jedoch extrem unbefriedigend. Infrastruktureinrichtungen sind überlastet und brechen ständig zusammen. Neunzig Prozent der Menschen klagen über eingeschränkte Stromversorgung, zehn Prozent haben überhaupt keinen Strom. Zweiunddreißigtausend Menschen haben kein fließendes Wasser und 100.000 haben nur jeden zweiten oder dritten Tag Zugang zu Wasser.
Die Bewohner Gazas haben kaum Zugang zu medizinischer Versorgung. Die Krankenhäuser sind am Ende, es gibt kaum Strom und Medikamente. Ihre Einrichtungen funktionieren nicht mehr. Ungefähr 100 der 150 Menschen, die während der letzten Offensive Gliedmaße verloren haben, warten immer noch auf die Versorgung mit Prothesen.
Nur wenigen Schwerkranken wurde erlaubt, Gaza zu verlassen und sich außer Landes behandeln zu lassen. Selbst wenn sie diese Möglichkeit bekommen, ist die Reise nach Israel über den Grenzübergang Erez ein Albtraum. An lebenserhaltende Apparaturen angeschlossene Patienten müssen aus dem Rettungsfahrzeug genommen und auf Bahren 60 bis 80 Meter weit zum, auf der anderen Seite wartenden, Rettungswagen getragen werden. Wer gehen kann, muss sich eingehenden Befragungen unterziehen, bevor er die Ausreiseerlaubnis bekommt, die aber oft auch versagt wird.
Nur einmal täglich gibt es in den Familien eine Mahlzeit. Auf Fleisch, Huhn und Eier muss verzichtet werden. Die Regale im Supermarkt sind leer, außer Grundnahrungsmitteln von UN-Organisationen und Spenden der Europäischen Union gibt es nichts. Deshalb leiden Zehntausende Kinder an Eisen-, Vitamin A und D-Mangel, was zu Wachstumsstörungen an Knochen und Zähnen, reduzierter Immunabwehr, Abgeschlagenheit und Lernstörungen führt. Viele Nahungsmittel sind schlicht nicht zu bekommen und selbst die wichtigsten Grundnahrungsmittel werden zu weit überhöhten Preisen verkauft.
In einer besonders eindringlichen Passage des Berichts heiß es. „Der Großteil der ganz Armen weiß nicht mehr weiter.“ Sie haben wirklich alles, was sie hatten, verkauft, einschließlich ihrer Existenzgrundlage, wie Viehbestand oder Fischerboote. Ihre Ausgaben für Nahrung können sie einfach nicht mehr reduzieren. Am schlimmsten geht es den Kindern, sie machen die Hälfte der Bevölkerung in Gaza aus.
Während der drei Wochen dauernden Offensive anfang des Jahres entwurzelte die israelische Armee Tausende Bäume in Zitrus-, Oliven- und Palmenhainen, zerstörte Bewässerungsanlagen, Brunnen und Gewächshäuser. Israel hat die Fischerei eingeschränkt, indem es die schon unter dem internationalen Standard liegende Fischereizone für die Bewohner Gazas nochmals von sechs auf drei Seemeilen vor der Küste Gazas reduziert hat. Die meisten Bestände größerer Fische und Sardinen, die vor zwei Jahren 70 Prozent des Fangs ausmachten, liegen jetzt jenseits dieser Grenzen.
Regelmäßg stoppt Israel in internationalen Gewässern außerhalb der Küstenregion Gazas, Schiffe und kapert sie, weil sie humanitäre Hilfe nach Gaza bringen sollen. Das IKRK, 40 internationale Hilfsorganisationen und NGOs haben in einer Erklärung Israels Blockade verurteilt und die Aufhebung der seit zwei Jahren dauernden Belagerung gefordert. Jedoch ohne Erfolg.
Dass die 1,5 Millionen Palästinenser in Gaza „in einen Teufelskreis von Entbehrung und Hoffnungslosigkeit“ getrieben werden, liegt einzig und allein an dem bewussten, kriminellen Vorgehen der israelischen Regierung, die dabei die Rückendeckung Washingtons und der wichtigsten europäischen Mächte hat.
Das einzige, was Druck auf Israel ausüben könnte, sei das Einfrieren von Militär- und Wirtschaftshilfe, hieß es in einem Kommentar auf der englischen Webseite des Nachrichtensenders Al-Dschasira. Ohne finanzielle Hilfe aus den USA und Europa wäre Israel bankrott.
Im Editorial der Jordan Times (Amman) hieß es, auch Washington müsse verstanden haben, dass Israel den Friedensprozess behindere, weil es am Frieden »einfach nicht interessiert« sei.
Guten Tag