Sendung 270 vom 13.12.2012
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer zur 270ten Sendung von „Die Vergessenen dieser Welt!“.
Die Webseite „Fortress Europe“ des italienischen Menschenrechtlers und Journalisten Gabriele Del Grande veröffentlichte am 01. August 2011, also vor etwas über einem Jahr, folgende Zahlen:
Seit 1988 starben entlang der europäischen Grenzen mindestens 17.738 Immigranten, davon sind 8.145 Leichen immer noch im Mittelmeer verschollen. Im Mittelmeer, sowie im Atlantischen Ozean nach Spanien starben 12.943 Personen. 5.962 sind im Kanal von Sizilien ertrunken, zwischen Libyen, Tunesien, Malta und Italien, 189 weitere Tote zwischen Algerien und Sardinien, Italien. Weitere 4.624 Tote zwischen Marokko, Algerien, Mauretanien, Senegal und Spanien, beim Überqueren der Meeresenge von Gibraltar oder in der Nähe der Kanarischen Inseln. 1.392 Tote in der Ägäis zwischen der Türkei und Griechenland. 640 Tote in der Adria, zwischen Albanien, Montenegro und Italien. Im Indischen Ozean, 629 Tote zwischen den Komoren und der französischen Insel Mayotte. Aber das Meer wird nicht nur mit normalen Schiffen überquert, sondern ebenfalls versteckt in Seecontainern. Dabei sind 154 Personen ums Leben gekommen.
287 Migranten sind von Grenzpolizisten erschossen worden, davon 37 in Ceuta und Melilla, zwei spanischen Enklaven in Marokko und 28 in der Osttürkei, nahe der iranischen Grenze. Hinzukommen auch Menschen, die von der französischen, deutschen und Schweizer Polizei erschossen worden sind.
Das sind keineswegs nur Zahlen. Darüber hinaus muss gefragt werden: Warum werden diese Menschen zu Flüchtlingen? Ist es nicht so, dass ein westliches System bestehend aus Wirtschaft, Politik, Waffenlieferungen und Krieg den Menschen ihre Lebensgrundlage entzieht und ihnen keine andere Wahl als Flucht lässt.
Wie viele Menschen mussten wohl noch zusätzlich seit August letzten Jahres ihr Leben lassen, weil Deutschland und Europa Menschen auf der Suche nach Asyl lieber töten? Fest steht, dass an den EU-Grenzen in Friedenszeiten mehr Menschen ums Leben kommen als an anderen Grenzen in der Welt. Fest steht auch, dass es in Deutschland ein, von der Verfassung garantiertes, Asylrecht gibt. Wie ist es also möglich, dass Asylanten von der deutschen Grenzpolizei erschossen werden? Ist dies die neue Asylpolitik der Bundesregierung?
In diesem Zusammenhang wollen wir sie auf unsere Sendung 254 vom 2. August aufmerksam machen, die auf unserer Homepage zu sehen ist, und die sich auch damit beschäftigt, wer die Entscheidungsträger sind. Denn die Politik wird nicht von heute auf morgen gemacht, sondern ist ein fortlaufender Prozess, bei dem die demokratischen Mitentscheidungen ausgeklammert und die Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Zu denken geben sollte jedenfalls die Ernennung von Bundesinnenminister Friedrich zum „Abschiebeminister 2012“ durch „Jugend ohne Grenzen“ in der vergangenen Woche. Die traurige Auszeichnung als „Abschiebeminister“ erfolgt zu Recht und müsste eigentlich noch weiter gehen. Denn Bundesinnenminister Friedrich ist nicht nur mit seinen Länderkollegen dafür verantwortlich, dass nicht nur aber momentan vor allem Roma aus Serbien und Mazedonien massenhaft in Elend und rassistische Diskriminierung abgeschoben werden. Er ist es auch, der die neu-alte Debatte um sogenannten Asylmissbrauch immer wieder aufs Neue anheizt (und damit Stimmungsmache betreibt), Asylsuchenden aus Serbien und Mazedonien weniger Leistungen als anderen gewähren will und dazu antreibt, dass zunehmend mehr Roma zur sogenannten „freiwilligen Ausreise“ nach Serbien und Mazedonien genötigt werden. Hier stellt sich die Frage, welche Mittel von Friedrich zukünftig gegen Migranten eingesetzt werden!
Bei den obengenannten Zahlen und der Handlungsweise dieses und anderer deutscher Minister (heute wie früher) muss einmal die Frage gestellt werden, ob sich diese sich nicht Verbrechen, Menschenrechtsverletzungen und des Verfassungsbruchs schuldig machen oder gemacht haben.
Die EU jedenfalls ist schon einmal dabei, Menschen in Not zu kriminalisieren. Am 14. Januar 2013 soll das EU-Parlament über die neue EU-Aufnahmerichtlinie für Asyl suchende entscheiden, bei der es sich in Wahrheit um ein europaweites Programm zur massenhaften Inhaftierung von Flüchtlingen handelt.
Die geplanten Inhaftierungsregelungen der neuen EU-Aufnahmerichtlinie greifen lückenlos. Menschen- und Flüchtlingsrechte werden systematisch verletzt. So gut wie alle Asylsuchende können zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort in Europa eingesperrt werden. Sechs neue Haftgründe geben den Behörden weitreichende Befugnisse gegenüber den Schutzsuchenden – angefangen vom Inhaftierungsgrund der „Identitätsfeststellung“ über die „Beweissicherung“, die “Prüfung des Einreiserechts“ bis hin zur „Gefahr des Untertauchens“.
Zwar ist für Menschen in Not kein Geld da und Europas Politikern jedes Mittel recht ihrer verfassungsmäßigen Pflicht nicht nachkommen zu müssen, gleichzeitig beträgt der Militäretat der Länder Europas rund 201 Milliarden Euro! Zum Töten hat europäische Politik – deutsche inbegriffen – immer Geld! Und zur Bankenrettung auch. Da nähert man sich in Windeseile der Billionenmarke.
Wieso haben Länder, die zu den Reichsten der Welt zählen und im Geld schwimmen, dann aber urplötzlich kein Geld? Wurde schlecht gewirtschaftet? Wurden ihre freien Zugänge zu den Märkten und Ressourcen eingeschränkt? Welchen Zweck hat die überlappende europäische Außen- und Innenpolitik der Verelendung? Sollen damit neue Sklaven gezüchtet werden und wofür. Denn die Verelendung großer Teile der Welt geht mit der zunehmenden Verelendung innerhalb Europas einher.
Und genau dieses Europa bekam diese Woche den Friedensnobelpreis verliehen. Was haben sich die Verantwortlichen des Nobelpreiskomitees dabei gedacht? Haben sie überhaupt etwas gedacht, oder haben sie gar nicht gedacht und diese Entscheidung ist rein politisch gesteuert? Eine Antwort auf diese Fragen zu geben wäre sinnvoll.
Europa mag in seinem Inneren seit langem Frieden haben. Ebenso lange entzieht es mit seinen weltweiten Kriegen den Menschen die Lebensgrundlage und sorgt für Flucht und Vertreibung. Die Scheinheiligkeit der Friedensnobelpreisverleihung kann nicht darüber hinweg täuschen, dass der Gewinner Europa mit seiner Politik ein Brandstifter ist und dies mit nichts rechtfertigt werden kann.
Vor der Verleihung des Friedensnobelpreises hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International scharfe Kritik geübt. Die EU trage zum Teil selbst zu Menschenrechtsverletzungen bei und werde auf diesem Gebiet ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht. Insbesondere in der Asyl- und Flüchtlingspolitik sei sie eines Nobelpreisträgers nicht würdig. Sie bekämpfe Menschenrechtsverletzungen nicht entschieden genug und insbesondere Roma würden in vielen EU-Staaten beim Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung, Wohnraum und zum Arbeitsmarkt diskriminiert.
Amnesty monierte weiterhin, dass die EU bereits formulierte außenpolitische Ziele aufgebe, wenn Wirtschafts- oder Sicherheitsinteressen im Spiel sind. Zwar habe die EU sich für ein internationales Abkommen zur Waffenkontrolle starkgemacht, das Waffenlieferungen an Staaten verhindern soll, die Menschenrechtsverletzungen begehen. Gleichzeitig jedoch haben auch EU-Staaten – heute wie früher – Waffen geliefert, obwohl sie davon ausgehen mussten, dass diese etwa für das Niederschlagen von Protesten eingesetzt werden.
Und Deutschland? Deutschland spielt bei all dem eine ganz besonders unrühmliche Rolle. Es liefert Waffen an jeden, der nur mit genug Euros winkt und macht wieder Politik mit der Waffe in der Hand, führt rund um die Welt Kriege und erinnert mit seiner Politik zumindest an die koloniale Kaiserzeit, wenn nicht sogar an Schlimmeres. Merkel, wir folgen Dir – so zu sagen …
Das nun ist der Friedensnobelpreisträger 2012. Bravo!
Und damit bis zur nächsten Sendung, auf Wiedersehen!
Quellen:
Fortress Europe
Tageszeitung Junge Welt
Pro Asyl