Sendung 240 vom 01.03.2012
Guten Tag liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich begrüße sie zu Folge 240 von „Die Vergessenen dieser Welt!“. Die heutige Sendung ist übertitelt mit Rechtsruck.
Die Bundeswehr soll schrumpfen, die Zahl der Auslandseinsätze soll aber zunehmen: heute kann die deutsche Armee 7.000 Soldaten dauerhaft im Ausland unterhalten, bald sollen dauerhaft 10.000 Bundeswehr-Soldaten die Interessen Deutschlands in aller Welt militärisch durchmorden. Seit Jahren betreiben Bundesregierung und Verteidigungsministerium eine Expansion deutscher Militärinterventionen im Ausland. Der verfassungswidrige Auslandseinsatz ist zum Normalfall geworden. Doch was Politiker einfach beschließen, ist in der Bevölkerung umstritten und die Zustimmung zu Kriegspolitik und Auslandseinsätzen wie dem in Afghanistan ist gering. Die Politik reagiert auf die mangelnde Popularität militärischer Einsätze und des „Soldatenberufs“ mit der Etablierung eines neuen Heldenkults um deutsche Soldaten: sterben für das Vaterland soll sich wieder lohnen, wie einst unter Kaiser Wilhelm und später der NSDAP.
Bis Ende des Jahres will Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ein Konzept für einen Veteranen-Ehrentag vorlegen. Dies verkündete der Minister während seiner Nordamerikareise (Mitte Februar) – das Soldatentum in Kanada und den USA scheint de Maizière sehr beeindruckt zu haben. Mit dem Veteranentag soll in der deutschen Gesellschaft Interesse für die Bundeswehr und ihre Einsätze geweckt werden. Ein Veteranentag wäre ein weiterer Schritt hin zu einem neuen, drittes Reichsähnlichen, deutschen Soldatenkult.
Besonders der ehemalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) schien es sich zur Aufgabe gemacht zu haben mithilfe eines neuen Helden- und Totenkults um Verständnis und Zustimmung für die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu werben. Am 6. Juli 2009 wurde erstmals das von Jung gestiftete „Ehrenkreuz der Bundeswehr für Tapferkeit“ an Soldaten verliehen. Zu den schon bestehenden Einsatz- und Ehrenmedaillen der Bundeswehr kam die erste Auszeichnung für besondere Tapferkeit – die Form der neuen Medaille entspricht der des schon im Ersten und Zweiten Weltkrieg von der jeweiligen deutschen Armee für Tapferkeit verliehenen Eisernen Kreuzes.
Ein weiterer großer Schritt zur Etablierung eines neuen Kultes um deutsche Soldaten war die Errichtung des am 8. September 2009 feierlich vom ehemaligen Bundespräsident Horst Köhler (CDU) eingeweihten „Ehrenmals der Bundeswehr“ am Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums. In der von Bronze umhüllten Stahlbeton-Konstruktion werden die Namen aller seit Gründung der Bundeswehr 1955 im Dienst ums Leben gekommenen Soldaten – über 3.100 – für jeweils etwa fünf Sekunden an eine Innenwand projiziert. An einer anderen Wand steht in goldenen Lettern: „DEN TOTEN UNSERER BUNDESWEHR FÜR FRIEDEN RECHT UND FREIHEIT.“ „Adolf wäre richtig stolz!“
Vom Bendlerblock, dem Berliner Sitz des Verteidigungsministeriums, vor den Reichstag verlegt wurde erstmals 2008 das jährliche feierliche Gelöbnis von Bundeswehr-Rekruten. In den letzten Jahren gab es am 20. Juli sogar Live-Übertragungen des Gelöbnisses beim öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Phoenix. Dazu zog der Sender extra höherrangige Soldaten zur Moderation hinzu um den Bürgern vor den Fernsehgeräten die Militärzeremonie vor dem Reichstag zu erklären. Die Zahl öffentlicher Gelöbnisse außerhalb militärischer Liegenschaften nahm unter Führung Franz Josef Jungs bundesweit zu: lag sie 2007 noch bei 134 waren es 2009 sogar 180 Gelöbnisse auf öffentlichen Plätzen.
Zur neuen deutschen „Helden-Politik“ gehören auch Live-Übertragungen von Trauerfeiern für im Einsatz gefallene Soldaten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. So brachte etwa der NDR am 3. Juni 2011 die Bilder von einer Trauerfeier für drei in Afghanistan getötete deutsche Soldaten direkt in die Wohnzimmer der Republik. Am 10. Juni gleichen Jahres war es der WDR, der den Trauergottesdienst für einen einige Tage zuvor in der afghanischen Provinz Baghlan getöteten Bundeswehr-Soldaten aus Detmold sendete. Wieviele unschuldige, diese und andere sogenannte Soldaten, vorher abgeschlachtet haben, davon war nicht die Rede.
Tapferkeitsmedaillen, das Ehrenmal in Berlin, öffentliche Gelöbnisse, Live-Übertragungen von Trauerfeiern für gefallene Soldaten und nun der Veteranentag: Soldaten sollen wieder eine erhöhte Stellung in der Gesellschaft bekommen. Die Bevölkerung soll dabei die Soldaten ehren, die in Einsätze geschickt werden, die vom Parlament aber eben nicht von der Bevölkerung selbst getragen. Doch das soll sich ändern. Wie in den düstersten Zeiten des 3. Reichs wird wieder eine Propagandamaschinerie riesigen Umfanges angeworfen.
Die zunehmende Öffentlichkeitsarbeit scheint jedenfalls mit einer verstärkten „Informationskontrolle“ einherzugehen. Keinesfalls jedenfalls dürfen die Soldaten etwa aus Afghanistan allzu ehrlich über das Erlebte sprechen, andernfalls wird schlicht die Leitung unterbrochen. Was die Soldaten jedoch nach ihrem Ausscheiden aus der Bundeswehr äußern und wie sie sich ggf. organisieren, lässt sich schwieriger kontrollieren. Eine Organisation „von Oben“ durch Veteranenzeitschrift und Veteranentag wird dazu jedoch einen Beitrag leisten. Zustände wie in einer faschistischen Diktatur, gibt es da noch einen Witzbold, der dieses Land als Demokratie bezeichnet?
Vorurteile bis hin zu Hass auf Ausländer bei einem Großteil in der Gesellschaft, Militärinvasionen im Ausland, Soldaten-Heldenverehrung: Eins und Eins ist Zwei! Klarer kann die Kehrtwende hin zum extrem Rechten – hier in diesem Land – nicht ausgedrückt werden.
Grossdeutschland ist wieder da!
Guten Tag
Quellen:
Informationsstelle Militarisierung e.V.
Süddeutsche Zeitung
Tageszeitung Junge Welt