Sendung 213 vom 16.06.2011
Guten Tag liebe Zuschauerinnen und Zuschauer. Ich begrüße Sie zu einer neuen Folge von „Die Vergessenen dieser Welt!“. Die heutige Sendung beschäftigt sich mit Meinungsvielfalt und Sicherheit.
Mitgliedern der Linksfraktion im Bundestag ist es künftig per Beschluss untersagt, eine von der bundesdeutschen Meinungseinfalt abweichende Position zum Nahost-Konflikt zu vertreten. »Entschieden gegen Antisemitismus« lautet eine Entschließung, in der sich die Fraktionsmitglieder der Linken »bei all unserer Meinungsvielfalt und unter Hervorhebung des Beschlusses des Parteivorstandes vom 21. Mai 2011« darauf verpflichten, sich nicht für eine Ein-Staaten-Lösung in Israel/Palästina einzusetzen, Boykottaufrufe gegen israelische Produkte zu unterlassen und sich nicht an der diesjährigen Fahrt der Gaza-Flottille zu beteiligen.
Der Kniefall vor Merkels Staatsräson, Israels exzessive Auslegung seines Existenzrechtes als deutsche Verantwortung vor der Geschichte wahrzunehmen, erfolgte freiwillig– als ein Akt vorauseilenden Gehorsams, denn noch ist in Deutschland die Ein-Staaten-Lösung nicht mit einem Denkverbot belegt.
Die Ablehnung der Ein-Staaten-Lösung für Israel/Palästina erfolgt unter Berufung auf einen Vorstandsbeschluss gegen Antisemitismus und wird gleich einleitend mit dem Kampf der Linksfraktionsabgeordneten »gegen jede Form von Antisemitismus in der Gesellschaft« in Verbindung gebracht. Dass von den Antragstellern abweichende Meinungen innerhalb der eigenen Partei mit »antisemitischem Gedankengut« und »rechtsextremistischen Handlungen«, die es abzuwehren gelte, in Bezug gesetzt werden, ist ein innerparteilicher Skandal. Ein Skandal, der sich aus der skandalösen Einschränkung der vielzitierten »Meinungsvielfalt« ergibt.
Das Meinungsdiktat schafft sich seine »antifaschistische« Legitimation in der Stigmatisierung Andersdenkender als »Antisemiten«, denen jedes Recht auf Diskussionsteilnahme zu verwehren sei. Träger dieses den repressiven Diskurs in der Gesamtgesellschaft widerspiegelnden innerlinken Ausschlussverfahrens sind führende Akteure »demokratisch sozialistischer« und »emanzipatorischer« Zusammenschlüsse in der Linkspartei, die sich natürlich über jeglichen Stalinismus-Verdacht erhaben wähnen.
Nun, der demokratische Sozialist und die emanzipatorische Linke von heute schreien nicht mehr wie seinerzeit »Erschießt sie, die tollwütigen Hunde!«. Sie wollen die Abweichler nur ausgeschlossen und unter Anklage gestellt wissen. Die Fähigkeit, in innerparteilichen Auseinandersetzungen die administrative Keule zu schwingen und die perfidesten Mittel der Apparatintrige einzusetzen, ist ihnen jedenfalls nicht abhanden gekommen.
Es gehört schon einiges dazu, das Eintreten für einen gemeinsamen säkularen und demokratischen Staat mit gleichen Rechten für alle Bürger in Israel/Palästina als »antisemitisch« zu denunzieren. Oder in der Gaza-Solidaritätsflottille ein Menetekel für neue Judenpogrome zu sehen. Wer in einer innerparteilichen Auseinandersetzung eine solch giftige Atmosphäre schafft, kann es mit dieser Partei nicht gut meinen.
Nicht gut mit den Menschenrechten und dem Frieden meint es auch die – völlig überflüssige – deutsche Bundeswehr. Die Sicherheitskräfte des feudalen Regimes in Saudi-Arabien werden von deutschen Bundespolizisten im Umgang mit dem Sturmgewehr G3 geschult.
Die Ausbildung erfolgt in Zusammenhang mit dem Engagement der Bundespolizei, die seit 2009 saudiarabische Grenzschützer betreut. Der Einsatz wurde erst vor wenigen Wochen durch das ARD-Magazin »Fakt« bekannt. Die Bundesregierung hatte bislang behauptet, es gehe um die Vermittlung von Standardmaßnahmen bei der Grenzüberwachung und moderner Führungsprozesse. In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hat sie jetzt aber zugegeben, daß auch die Ausbildung an Kriegswaffen dazugehört: 2800 saudische Grenzschützer erhalten Unterricht im Umgang mit dem G3 – einem Sturmgewehr des deutschen Herstellers Heckler & Koch – und zwar in Kursen von 15 Einheiten zu je 40 Minuten.
Die Grenzschützer sollen dabei lernen, diese Waffen »auch in körperlich und geistig anspruchsvollen Situationen handlungssicher zu handhaben«, so die Bundesregierung. Konkret haben Ausbilder der Bundespolizei saudische Trainer als Multiplikatoren für diese Tätigkeit qualifiziert. »Die Legende vom Menschenrechtsexport« habe sich damit zerschlagen, erklärte die Linksfraktion am Mittwoch in einer Pressemitteilung.
Die Waffenausbildung von Sicherheitskräften des feudalen Regimes sei ein Angriff »gegen die arabischen Demokratiebewegungen«, sie sei schnellstens zu beenden. Die Regierung will noch bis mindestens Mitte 2012 den Einsatz fortführen und danach eventuell für weitere vier Jahre auf die südlichen Regionen ausweiten. Zur Begründung heißt es, Saudi-Arabien sei ein wichtiger »strategischer Partner« im Kampf gegen den Terrorismus.
Im Innenausschuss des Bundestages hatte die Bundesregierung noch vor wenigen Wochen versichert, die saudischen Grenzschützer würden nicht im Inneren des Landes eingesetzt, könnten sich also nicht an der Niederschlagung von Unruhen beteiligen. Jetzt ist sich die Regierung da nicht mehr so sicher: Es liege »in der ausschließlichen Kompetenz der saudi-arabischen Regierung, über die Aufgaben und das Einsatzspektrum der einzelnen Sicherheitsbehörden zu entscheiden«, heißt es nun.
Ob national oder international: Die Staaten der westlichen Welt und ihre Politiker steuern immer weiter auf eine große kriegerische Eskalation zu. Gezielt, gesteuert und mit immer größer werdenden Schritten.
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Tageszeitung Junge Welt