Sendung 674 vom 12.03.2025
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Mit Blick auf die Politik der Trump-Administration nehmen in Deutschland die Forderungen nach einer eigenständigen Weltmachtrolle der EU zu. „Europa“ müsse seine „Ressourcen mobilisieren“, um die USA „als globalen Anführer zu ersetzen“, heißt es etwa in einer aktuellen Stellungnahme aus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Berlin und Brüssel initiieren beispiellose Pläne, Deutschland und die EU mit Summen in hoher dreistelliger Milliardenhöhe hochzurüsten. Dabei müßten, wo irgend möglich, europäische statt US-amerikanische Waffen beschafft werden, heißt es auch in traditionell transatlantisch orientierten Medien: Einem Staat, der „über Nacht die Militärhilfe für einen Partner“ wie die Ukraine stoppe, „kann man nicht mehr vertrauen“. Mit der geballten Aufrüstung gehen Planungen einher, sämtliche Auslandsaktivitäten Berlins zu fokussieren und zu diesem Zweck das Entwicklungsministerium dem Auswärtigen Amt einzugliedern; von einem „Ministerium für deutsche Interessen“ ist die Rede. Die Schritte zielen darauf ab, ein altes Ziel der bundesdeutschen Außenpolitik zu realisieren: nämlich mit Hilfe der EU „auf Augenhöhe“ mit den USA zu gelangen.
Der mutmaßlich künftige Bundeskanzler Friedrich Merz hatte bereits wenige Stunden nach der Schließung der Wahllokale am 23. Februar erklärt, es habe für ihn nun „absolute Priorität …, so schnell wie möglich Europa so zu stärken“, daß es in jeder Hinsicht „Unabhängigkeit“ von den Vereinigten Staaten erlange. Seitdem schwellen die Forderungen nach umfassender Unabhängigkeit von den USA rasant an. Am 28. Februar, unmittelbar nach dem Eklat während des Besuchs des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus, erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas, „die freie Welt“ benötige nun „einen neuen Anführer“: „Es liegt an uns Europäern, diese Herausforderung anzunehmen.“ Anfang vergangener Woche hieß es dann in einer knappen Stellungnahme aus der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, die Trump-Administration zerstöre „Amerikas Glaubwürdigkeit und sein internationales Ansehen“ in hohem Tempo. Es werde „Jahrzehnte“ dauern, „den Schaden zu reparieren“. „Europa“ müsse jetzt „seine reichen Ressourcen mobilisieren, um Amerika als globalen Anführer zu ersetzen“. Bereits im Januar hatte Polens Ministerpräsident Donald Tusk gefordert, „Europa“ müsse sich unabhängig von den USA positionieren: „Wir sind eine Weltmacht“. Tusk fügte hinzu: „Aber wir müssen auch daran glauben.“
Forderungen, sich von den Vereinigten Staaten unabhängig zu machen, münden zur Zeit in eine beispiellose Welle der Militarisierung in der EU und Großbritannien. „Europa“ habe militärisch „alle Karten auf der Hand“, hieß es kürzlich etwa aus der DGAP: Seine Streitkräfte gehörten „zu den stärksten, erfahrensten und innovativsten der Welt“. Die EU hat vergangene Woche ein bis zu 800 Milliarden Euro schweres Hochrüstungsprogramm beschlossen, das die Streitkräfte aller 27 Mitgliedstaaten mit höchster Geschwindigkeit mit gigantischen Mengen an Kriegsgerät versorgen soll. Zudem ist, nicht zuletzt auf Betreiben von Friedrich Merz, eine Debatte über eine eigenständige nukleare Komponente der europäischen Hochrüstung gestartet worden. An diesem Donnerstag sowie am Dienstag nächster Woche soll der Bundestag das Grundgesetz dahingehend ändern, daß Ausgaben für das Militär von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Damit sind künftig Waffenkäufe in beinahe unbegrenztem Umfang möglich. Weil im neu gewählten Bundestag keine Mehrheit dafür vorhanden ist, soll die Abstimmung noch vom alten, demokratisch abgewählten Parlament durchgeführt werden; die Militarisierung besitzt Vorrang vor der Demokratie.
Inzwischen mehren sich die Forderungen, „Waffenkäufe in den USA … zu vermeiden, wo immer das möglich ist“, wie es am Wochenende in der traditionell transatlantisch orientierten Frankfurter Allgemeinen Zeitung hieß: „Einem Land, das über Nacht die Militärhilfe für einen Partner stoppt“ – für die Ukraine –, „kann man nicht mehr vertrauen.“ Bereits zuvor hatten mehrere einflußreiche Ökonomen bzw. Wirtschaftsvertreter in einem Papier, in dem sie detaillierte Vorschläge zur Aufrüstung machten, gefordert, man solle vom Kauf weiterer US-Rüstungsgüter nach Möglichkeit absehen und stattdessen die Produkte europäischer Waffenschmieden beschaffen; ansonsten ende man in „einer fortdauernden Abhängigkeit“. Am Freitag schloß sich nun der Vorsitzende der Airbus-Rüstungssparte Airbus Defence and Space der Forderung an. Gebe man die nun beschlossenen dreistelligen Milliardensummen für „Produkte von der Stange in den USA“ aus, „zementieren wir unsere Abhängigkeit von anderen“, erklärte Schöllhorn. Er nannte als Beispiel die Beschaffung der US-Kampfjets F-35 durch Dänemark. Wolle die Regierung in Kopenhagen sie nutzen, um Grönland gegen eine etwaige Annexion durch die USA zu verteidigen, dann würde sie merken, äußerte Schöllhorn: „Die kämen gar nicht bis dahin“ – aufgrund von Eingriffsmöglichkeiten der USA.
Die Planungen für eine beispiellose Militarisierung Europas, mit der zugleich eine umfassende Unabhängigkeit von den Vereinigten Staaten erreicht werden soll, gehen mit Forderungen einher, sämtliche Aktivitäten der Bundesregierung im Ausland noch stärker als bisher auf die Durchsetzung deutscher Interessen zu fokussieren. So traten am Wochenende der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen sowie zwei deutsche Diplomaten mit der Forderung hervor, das Bundesentwicklungsministerium dem Auswärtigen Amt einzugliedern. Immer wieder kämen deutsche Diplomaten in Ländern des Globalen Südens mit ihrem „Anliegen … nicht durch“, weil das Auswärtige Amt keine Kontrolle über die Entwicklungshilfegelder habe und sie nicht als Druckmittel einsetzen könne, heißt es in einem von ihnen publizierten Zeitungsbeitrag: „So verlieren wir weltweit an Einfluß.“ Wenn es „um die Durchsetzung unserer Interessen“ gehe, dann müsse in Zukunft ein einziges Ministerium „alle Instrumente in der Hand haben, um Deutschland Gehör zu verschaffen“. Von einem „Ministerium für deutsche Interessen“ ist die Rede. Zudem sollten Organisationen wie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder die Kreditanstalt für Wiederaufbau „unter Führung der [jeweiligen] Botschaft unter einem Dach“ gebündelt werden – in einem „Deutschen Haus“.
Mit dem Einstieg in die forcierte Militarisierung Europas sowie in die geballte Fokussierung seiner Auslandsaktivitäten auf die noch unmittelbarere Durchsetzung deutscher Interessen unternimmt Berlin den Versuch, ein altes Ziel der bundesdeutschen Eliten zu realisieren: nämlich „auf Augenhöhe“ mit den Vereinigten Staaten zu gelangen. Bereits 1966 sprach sich der CSU-Politiker und vormalige Bundesverteidigungsminister (1956 bis 1962) Franz Josef Strauß dafür aus, „das vereinigte Europa“ solle perspektivisch „die Position einer eigenständigen Macht zwischen den Vereinigten Staaten und der [damaligen] Sowjetunion einnehmen“. Im Jahr 2003 urteilte der vormalige Berater von Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl Werner Weidenfeld in einem Beitrag in der Springer-Zeitung Die Welt, die EU verfüge über ein Kräftepotential, das „den Status einer Weltmacht definieren“ könne; in wichtigen Bereichen sei sie den USA sogar überlegen: „Das integrierte Europa“, schrieb er, sei „eine Weltmacht im Werden“. Deutsche Weltmachtpläne sind immer wieder thematisiert worden; so hieß es etwa im Jahr 2020 in der Wochenzeitung Die Zeit, die EU „muß sich als Weltmacht verstehen“; sie brauche „mehr Mut zur Weltmacht“. Der damalige Berliner Entwicklungsminister Gerd Müller schrieb ihr explizit „das Zeug zur Weltmacht“ zu.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder
Quelle:
german-foreign-policy.com