Sendung 540 vom 11.03.2021
Hallo Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Die Registermodernisierung steht an. So bezeichnet man die Verknüpfung von vielen Datenbanken mit Hilfe der Bürgernummer. Die Kopplung von Amtsregistereinträgen mit den Krankenversicherungs- und Rentenversicherungsdaten über die Steuernummer wird viele Verwaltungen glücklich machen, etwa die Krankenkassen. Andere haben als mündige Bürger bereits Widerstand angekündigt und wollen das Gesetz „zurück in die Hölle klagen“, wie es Digitalcourage formuliert.
Mit der Registermodernisierung wird die Steuernummer zur umfassenden Bürgernummer. Wenn zu den Kranken- und Sozialversicherungsdaten noch die medizinischen Daten der neuen elektronischen Patientenakte kommen, werden Forscherträume wahr. Oder Alpträume. Wenn Sozialinformationen und Gesundheitsdaten zusammenfließen, kann aus dem Zusammenkommen der Daten selbst eine Krankheit entstehen, die man Informationelle Krankheit nennen könnte.
Ende Januar hat der Bundestag das Registermodernisierungsgesetz verabschiedet. Am 5. März stimmte der Bundesrat dem Gesetz zu. Mit dem Gesetz soll die Verwaltung modernisiert werden. Kernpunkt ist die Einführung eines Personenkennzeichens, manche nennen es auch Bürgernummer. Die Nummer selbst gibt es schon: Es ist die Steueridentifikationsnummer, die 2007 eingeführt wurde – schon damals unter Protest. Bisher hat nur das Finanzamt Zugriff auf die hinterlegten Daten. Doch das soll sich nun ändern: 50 weitere Institutionen von Einwohnermeldeamt bis Krankenkasse sollen über die Steuer-ID Daten hinterlegen und abrufen können.
Die Bundesregierung verkauft das als „nutzerfreundlich“. Auf ihrer Homepage schreibt sie: „Behörden werden die Bürgerinnen und Bürger nicht mehr stets erneut bitten müssen, Angaben wieder und wieder zu machen und Nachweise beizufügen, die an anderen Stellen der Verwaltung bereits vorliegen. Gemeint sind damit zum Beispiel eine Meldebescheinigung oder Geburtsurkunde.“
Das klingt praktisch. Und ist ein weiterer Schritt zum gläsernen Bürger. Datenschutzbeauftragte von Bund und Ländern warnen daher vor einer Ausweitung des Zugriffsrechts. Die Opposition sieht die Bürgernummer ebenso kritisch und hat sie im Bundestag abgelehnt. Auch NGOs machen mobil: Nachdem sich die Innenministerkonferenz im März 2020 geeinigt hatte, erhielt sie einige Monate später den Publikumspreis der Big Brother Awards, die „Oscars der Datenkraken“, ausgerichtet unter anderem von der Grundrechteorganisation Digitalcourage.
Sie alle sehen in dem Personenkennzeichen einen rechtswidrigen Eingriff in die Grundrechte. Sollte die Bürgernummer eingeführt werden, heißt es aus mehreren Richtungen, so ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß das Bundesverfassungsgericht sie wieder kippen wird. Den Aufwand könne man sich daher sparen.
Verwiesen wird auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung in der BRD von 1983. Das Gericht entschied damals, daß die geplante Volkszählung in mehreren Punkten gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. „Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus“, so das Gericht. Das Urteil gilt als Meilenstein des Datenschutzes.
Als Reaktion auf die Entscheidung der Innenministerkonferenz erklärten die Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder bereits im vergangenen August in einer gemeinsamen Stellungnahme, daß die Steuer-ID bisher nur deshalb als verfassungskonform gelte, weil ausschließlich die Steuerbehörden sie nutzten. Werde ihre Verwendung nun ausgedehnt, könnten die personenbezogenen Daten künftig zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil vervollständigt werden: Wer verdient was, hat welche Krankheiten, hat wann einen wie hohen Kredit aufgenommen, besitzt welche Waffen und ist wie oft durch die Führerscheinprüfung gefallen?
Das federführende Innenministerium paßte nach der Kritik seinen Entwurf für das Registermodernisierungsgesetz an. Ausgerechnet die Daten von Waffenscheinen sollen nun, neben Führerscheinen, nicht mehr über die neue Steuer-ID erfaßt werden. Auch Schuldnerverzeichnisse, also beispielsweise die Schufa, wurden ausgeschlossen.
Darüber hinaus wurde ein sogenanntes 4-Corner-Modell eingeführt. Es soll verhindern, daß die Daten der verschiedenen Behörden – allzu leicht – zu einem umfassenden Persönlichkeitsprofil zusammengesetzt werden können. Daten sollen nicht direkt zwischen zwei Behörden ausgetauscht, sondern grundsätzlich über eine dritte Stelle gesendet werden – über eine Kontrollinstanz, die rechtlich und technisch prüft, ob die Übermittlung erfolgen darf und die den Datenaustausch zudem protokolliert. Darüber hinaus sollen Bürger entscheiden, welche Behörden auf die eigenen Daten zugreifen können. Über ein sogenanntes Datencockpit sollen sie zudem Einblick darüber erhalten, welche Behörde was an wen übermittelt.
Doch auch noch bei der öffentlichen Anhörung im Innenausschuß am 14. Dezember zeigte sich, daß die Änderungen Datenschützern nicht ausreichen. Bundesdatenschutzbeauftragter Ulrich Kelber erklärte, das Gesetz schaffe „ein system-inhärentes, übermäßiges Risiko der Katalogisierung der Persönlichkeit und bietet, auch mit den im Gesetzentwurf geplanten Maßnahmen zur technischen Absicherung, keinen ausreichenden Schutz vor Mißbrauch sowohl nach innen als auch nach außen“. Kelber kritisiert auch das 4-Corner-Modell. Es entspreche nicht dem Stand der Technik.
Der stellvertretende Grüne Fraktionsvorsitzende Konstantin von Notz erklärte in der Bundestagsdebatte vom 28. Januar, die Bundesregierung baue „auf sandigem Boden“, wenn sie die Steuer-ID als Grundlage für die Verwaltungsmodernisierung nutze.
Dabei gibt es verfassungskonforme Alternativen, zum Beispiel in Österreich. Dort wurde für jeden Bürger eine Stammzahl eingeführt. Für jede Behörde wird aus der Stammzahl per kryptographischem Verfahren eine bereichsspezifische Nummer generiert, aus der die Stammzahl nicht zurück errechnet werden kann.
Vor der Abstimmung im Bundestag am 28. Januar wandte sich Petra Pau in einer Rede nicht nur gegen die Steuer-ID als Personenkennzeichen. Die Linke-Politikerin kritisierte die schrittweise Aufhebung des Datenschutzes in den vergangenen 20 Jahren. „Ich habe es satt, seit 2001 beschließen Mehrheiten grundgesetzwidrige Gesetze, die in Karlsruhe kassiert werden.“
Tatsächlich hat das Verfassungsgericht immer wieder Entscheidungen des Bundestags als grundgesetzwidrig abgelehnt. Glücklicher Weise muß man sagen! Gesetze mußten entsprechend geändert werden.
Und so bleibt nur zu hoffen, daß der Deutsche Überwachungsstaat und seine Orwellschen Big-Brother-Jünger auch dieses mal wieder von Deutschlands Verfassungshütern gestoppt werden.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.