Sendung 505 vom 09.04.2020
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Am vergangenen Freitag, dem 3. April, lief Abends im Ersten die obligatorische Corona-Sondersendung. Doch was man dort gleich am Anfang vorgesetzt bekam, war eigentlich nur schockierend. Ein Filmbericht und ein anschließendes „Expertengespräch“ beschäftigten sich mit der Frage der Notwendigkeit, zukünftig Patienten mit geringeren Überlebenschancen sterben zu lassen, damit andere behandelt werden können und überleben. Das alles „natürlich“ unter dem fiktiven Szenario es gäbe zu wenige Beatmungsgeräte für zu viele Patienten.
Diesen verachtenswerten Gedankenspielen liegen leider höchst reale zugrunde: Denn bereits am Mittwoch zuvor haben sieben medizinische Fachgesellschaften ein Papier mit entsprechenden Handlungsempfehlungen verabschiedet, in dem es heißt: „Nach aktuellem Stand der Erkenntnisse zur COVID-19-Pandemie ist es wahrscheinlich, dass auch in Deutschland in kurzer Zeit und trotz bereits erfolgter Kapazitätserhöhungen nicht mehr ausreichend intensivmedizinische Ressourcen für alle Patienten zur Verfügung stehen, die ihrer bedurften.“
Tritt dieser Fall ein, so das Papier, müsse „unausweichlich entschieden werden, welche intensivpflichtigen Patienten akut-/intensivmedizinisch behandelt und welche nicht (oder nicht mehr) akut-/intensivmedizinisch behandelt werden sollen“. Auf insgesamt elf Seiten werden dann Kriterien für Ärzte entwickelt, die diese Entscheidung treffen müssen. Vor allem Alte, Kranke und Gebrechliche mit geringeren Heilungschancen sollen abgewiesen werden. Die „Priorisierung von Patienten“ orientiert sich „am Kriterium der klinischen Erfolgsaussicht“, was den Verzicht auf die Behandlung derer bedeutet, „bei denen keine oder nur eine sehr geringe Erfolgsaussicht“ besteht. Das ist u. a. bei schweren Erkrankungen – auch neurologischen und Krebserkrankungen –, einer schweren Immunschwäche, Multimorbidität und erhöhter Gebrechlichkeit der Fall.
Vorrangig sollen Patienten behandelt werden, die „dadurch eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit bzw. eine bessere Gesamtprognose“ haben, heißt es in dem Papier. Maßgeblich für die Entscheidung sei dabei nicht nur eine „klinisch relevante Zustandsveränderung der Patienten“, sondern auch das „veränderte Verhältnis von Bedarf und zur Verfügung stehenden Mitteln“. Mit anderen Worten, je weniger Beatmungsgeräte, Intensivbetten und Fachpersonal zur Verfügung stehen, desto niedriger ist die Schwelle, ab der Patienten nicht mehr behandelt werden.
Sozialdarwinismus in Reinform. Aber nicht nur das, denn so etwas gab es schon mal. Es nannte sich Euthanasiegesetz und trat im Jahr 1933 in Kraft. Es war ein Gesetz, das Menschenrechte verletzte, psychisch Kranke und behinderte Menschen diskriminierte, Ihnen das Recht auf Leben absprach und Ärzte zu Verstümmelungen, also schwerer Körperverletzung legitimierte. 1933 erließ die Regierung des Deutschen Reiches das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Juristen ebneten damit auch den Weg für den systematischen Mord – der Euthanasie – an geistig und körperlich behinderten Menschen, an psychisch Kranken und an allen, die teils willkürlich als solche diagnostiziert wurden.
Wenn heute und jetzt öffentlich und im öffentlich/rechtlichen Staatsfernsehen darüber spekuliert wird, alte und kranke mit wenig Heilungsaussichten sterben zu lassen, damit die jüngeren überleben, so ist das jenes Euthanasiedenken von damals. Und zwar in seiner reinsten Form. Es ist nichts anderes als rechtsextremes Gedankengut und damit jene barbarische Denkweise, die sich seit längerer Zeit in unserer Gesellschaft und Politik ausbreitet.
Bereits lange vor AfD-Zeiten gab es vieles, was an die Nazizeit erinnerte. Sei es Roland Kochs Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft oder Volker Bouffier, der am 14. Juni 2012 bei einem Bericht über Polizeieinsätze eine Aussage machte, die er genauso in anderen Sendern wiederholte. Diese lautete, ich zitiere: „Wer als Extremist in diesem Lande sich tummelt, der muss ´ne klare Antwort kriegen. Und wenn er kein deutscher Staatsbürger ist, dann bin ich der Auffassung, dann geht er dahin wo er hergekommen ist.“ In diesem Zusammenhang stellt sich hier unmittelbar die Frage, in welcher Form er vor hat, mit deutschen Salafisten zu verfahren!
Im Zuge einer jahrzehntelangen Politik der Ausländerfeindlichkeit, des Rassismus und des Abwertens verschiedenster Bevölkerungsgruppen in diesem Land und nicht zu vergessen einer Verschärfung dieses Hasses seit dem Auftauchen von AfD und Pegida, ist eine Argumentation heute, die ihre Anlehnung an Euthanasie und Rassegesetze hat nicht verwunderlich. Dafür aber verächtlich und verdammungswürdig!
Stellt sich also die Frage, wie die Politik zukünftig mit kranken, alten und hilflosen Menschen zu verfahren gedenkt. Wirklich wissen will ich es nicht, denn dieses Wissen könnte fürchterlich und grausam sein.
Völlig außer Acht gelassen wird dabei der eigentliche Übeltäter und Verantwortliche für die Mangelzustände im Gesundheitswesen, die Land auf Land ab herrschen: der Kapitalismus und die heilige Kuh des Neoliberalismus. Während für Militär und Rüstung Geld für Steigerungsraten bis zu 2% des Bruttosozialproduktes da sind wird das Gesundheitswesen seit Jahrzehnten kaputtgespart. Krankenhäuser werden privatisiert, müssen „wirtschaftlich arbeiten“ – also Gewinn abwerfen – und wenn sie das nicht tun werden ganze Stationen geschlossen. Nützt das alles nichts werden „unrentable“ Krankenhäuser letztendlich geschlossen.
Steht man dann, im Falle einer Krise, vor den Trümmern dieser Politik, so wird nicht etwa gerade diese Politik überdacht und infrage gestellt, hin zu einer humaneren die das Wohl des Menschen zur Grundlage nimmt und im Auge hat. Nein! Man geht – als Steigerung in Perversion – hin und überlegt sich, welche Teile der Bevölkerung man sterben lassen kann.
Dieter Hallervorden hat Dinge dieser Art in einer Folge seiner hervorragenden Sendereihe “ Hallervordens Spott-Light“ einmal zynisch / bösartig einmal als „sozial verträgliches Frühableben“ bezeichnet und damit das ganze menschenverachtende Verbrechertum, dass dem zugrunde liegt, auf den Punkt gebracht.
Wohin diese Form des neoliberalen Kapitalismus führt, kann man sich – wie kann es anders sein – in den USA ansehen. Das Coronavirus hat sich ja bekanntlich nicht vom Atlantik aufhalten lassen und ist auf die USA übergesprungen. Da es dort einfacher ist Menschen zu entlassen werden diese nun zu hunderttausenden arbeitslos wenn, wie auch hier, Betriebe geschlossen werden. Nur gibt es dort leider keine soziale Versorgung. Mit ihrer Arbeit verlieren die Menschen ihr Einkommen und damit auch die Möglichkeit, ihre Krankenversicherung zu bezahlen (falls überhaupt vorhanden).
Die Reaktion, die folgt ist einfach: Kündigung der Krankenversicherung. Nicht abgesichert und ohne Geld stehen die Menschen dort in Mitten einer mörderischen Pandemie vor dem Nichts und in einer Katastrophe nie gekannten Ausmaßes.
Das ist die Realität heut zu Tage in der sogenannten freien Welt, egal ob hier oder jenseits des Ozeans. Eine Realität die wir als Produzenten der Sendung nicht wollen und die hoffentlich eine Mehrheit der Bevölkerung auch nicht will. Setzen wir uns also für eine Bessere und vor allem sozial Gerechtere ein und kämpfen dafür!
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.