Sendung 490 vom 31.10.2019
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Auch mehrere Wochen nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle macht die Bundesregierung keine Anstalten, die seit Jahren bekannten rechtsextremen Netzwerke in Polizei, Justiz und Bundeswehr trockenzulegen. Stattdessen nimmt sie den faschistischen Terroranschlag zum Vorwand, um den Staatsapparat weiter aufzurüsten und ihre lange gehegten Pläne zur umfassenden Bespitzelung von Journalisten und Internet-Nutzern in die Tat umzusetzen.
Das neue Geheimdienste-Ermächtigungsgesetz, das bisher in den Schubladen des Innenministeriums schlummerte, soll dazu zum Einsatz kommen. „Monatelang blieb der Entwurf einfach liegen“, titelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, „jetzt könnte es schnell gehen“. Eine Sprecherin des Justizministeriums hatte der Zeitung mitgeteilt, dass sich das „Gesetz zur Harmonisierung des Verfassungsschutzrechtes“ nun bereits in der Ressortabstimmung mit dem Justizministerium befinde. „Seehofers alter Gesetzentwurf“, schreibt die Zeitung weiter, erscheine „auf einmal wie eine aktuelle Antwort auf die Tat von Halle“.
Bei dem Gesetz handelt es sich um einen umfassenden Angriff auf die Pressefreiheit und demokratische Grundrechte. Es sieht unter anderem vor, dem Verfassungsschutz den Einsatz von Staatstrojanern zur Bespitzelung von Journalisten und Redaktionen zu gestatten – ohne richterliche Genehmigung und ohne, dass die Betroffenen eine Straftat begangen hätten. Anbieter verschlüsselter Messenger-Dienste sollen außerdem gezwungen werden können, die Kommunikation ihrer Kunden mitzuschneiden und den Behörden auf bloßen Verdacht hin zu übermitteln.
Anfang vorletzter Woche nahmen Verfassungsschutzpräsident Haldenwang und BKA-Chef Münch den Anschlag von Halle zum Anlass, für das Gesetz zu werben und zugleich die Aufstockung ihrer Behörden um 300 bzw. 440 neue Planstellen anzukündigen. Sie sollen dem Aufbau „neuer Einheiten“ zur Bekämpfung von Extremismus dienen. Laut MDR fordern die beiden Bundesbehörden außerdem eine „stärkere Beobachtung im Internet“, „weitere Vereinsverbote“ sowie Maßnahmen gegen rechte „Festivals“ und „Konzerte“. Der deutsche Inlandsgeheimdienst soll künftig außerdem Kinder unter 14 Jahren überwachen und Videospiel-Plattformen infiltrieren dürfen.
Zur selben Zeit kündigte Familienministerin Franziska Giffey (SPD) gegenüber der Osnabrücker Zeitung an, noch in diesem Jahr ein neues Gesetz gegen die Radikalisierung von Jugendlichen auf den Weg zu bringen. „Bestimmte Interaktionsrisiken“ im Netz müssten „von vornherein durch technische Einstellungen verhindert oder minimiert werden“, zitiert die Zeitung die Familienministerin. Das „gezielte Ansprechen junger Menschen im Netz“ müsse „so weit wie möglich verhindert werden“. Dazu wolle man „die Anbieter“ digitaler Plattformen „stärker in die Pflicht nehmen“.
Lange Erfahrungen zeigen, dass sich solche Maßnahmen – einmal eingeführt – vor allem gegen links richten werden. So hatte der damalige Innenminister Thomas de Maizière vor zwei Jahren die antifaschistische Webseite „linksunten.indymedia“ verboten und deren Redaktion kurzerhand zu einem eingetragenen Verein erklärt, um das Recht auf Pressefreiheit zu umgehen. Zwei Jahre später stellte die Staatsanwaltschaft Karlsruhe sämtliche Strafverfahren gegen die mutmaßlichen Betreiber der Website ein, weil sie ihnen keine Straftat nachweisen konnte. Im vergangenen Jahr hat der sächsische Verfassungsschutz das gegen die rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz gerichtete Konzert „Wir sind mehr“ in seinem Jahresbericht unter der Rubrik „Linksextremismus“ aufgeführt.
Bereits wenige Wochen nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hatte Giffeys Ministerium zahlreichen linken Programmen die Mittel gekürzt. Betroffen waren mindestens 120 Organisationen, darunter die antirassistische Amadeo-Antonio-Stiftung und das bekannte Rechtsextremismus-Aussteigerprogramm „Exit“, dessen Finanzierung für die Zeit nach 2020 nun unklar ist. Insgesamt werden zivilgesellschaftlichen Projekten künftig acht Millionen Euro fehlen.
Gleichzeitig wird die faschistische AfD immer stärker und von ARD und ZDF in der Berichterstattung in den Vordergrund gerückt und im Vergleich mit anderen Oppositionsparteien gezielt bevorzugt.
Weiterhin arbeiten verschiedene Parteien des Bundestages daran, den von Rechtsextremisten durchsetzten Staatsapparat in einer fieberhaften Aufrüstungskampagne weiter zu stärken. Das Budget des Innenministeriums steigt im neuen Bundeshaushalt um 720 Millionen auf 15,3 Milliarden Euro. Alleine 6,4 Milliarden Euro sollen in die Hochrüstung der Bundespolizei, des BKA und der Cyberbehörden fließen.
Ein Bericht des Spiegels verdeutlicht das Ausmaß der inneren Aufrüstung. Demnach ist das BKA seit 2013 um knapp 50 Prozent gewachsen, von 5012 auf 7562 Beamte im Jahr 2020. Die Bundespolizei wuchs im selben Zeitraum von 38.297 auf 46.848 Planstellen im laufenden Jahr. Für 2020 sind laut Haushaltsentwurf noch einmal rund 2000 zusätzliche Stellen eingeplant.
Gleichzeitig soll sich die Mitarbeiterzahl des Bonner Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) fast verdreifachen – über 1400 Beamte sollen im kommenden Jahr für die Cyberkampfbehörde arbeiten. Zusätzlich soll die in München angesiedelte Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (ZITiS) von 190 auf 232 Mitarbeiter wachsen. Die im Jahr 2017 ins Leben gerufene digitale Waffenschmiede entwickelt für die Sicherheitsbehörden des Bundes laut eigenen Angaben Werkzeuge zur „Kryptoanalyse“ (also dem Hacken von Verschlüsselung) und „Telekommunikationsüberwachung“.
Auch Autofahrer werden in die geplante Totalüberwachung miteinbezogen. So berichtet der Heiseverlag in einem Artikel davon, dass der neue Golf 8 „dank eSim“ stets vernetzt ist und neben Radio- und Streamingdiensten auch Softwareupdates des Wagens, Assistenzsysteme und natürlich auch Navigation bietet.
Wer ein Auto benutzt wird also zukünftig umfassend vom Staat überwacht. Steigt er aus dem Wagen aus schließen sich nahtlos sein Smartphone und Überwachungskameras der Totalüberwachung an.
Die atemberaubende Aufrüstung des Staatsapparates und die massive Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden richtet sich gegen die weitverbreitete Opposition unter bundesdeutschen Bevölkerung, die Militarismus, Krieg, Staatsaufrüstung, Sozialkürzungen und das neoliberal/kapitalistische System kritisieren oder ablehnen.
Jeder einzelne muss nicht nur Demokratie und Freiheit verteidigen, sondern auch gegen den geplanten, fast faschistoide Züge annehmenden, Überwachungsstaat Flagge zeigen. Denn wir brauchen ein soziales System, dass den Menschen hilft und nicht eines das Neoliberalismus und entfesselte Marktwirtschaft mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln schützt.
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.