Sendung 343 vom 26.02.2015
Willkommen liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Wer ist der Sieger des Eurogruppen-Treffens vom Freitagabend? Wer der Verlierer? Die Frage ist falsch gestellt. In der Nacht zum Freitag, vergangener Woche liegt der Keim eines Erfolgs von SYRIZA. Die neue Regierung in Athen hat etwas Spielraum gewonnen und sie hat hat gegenüber der kompromisslosen Linie in Berlin gezeigt, wer wirklich ein Interesse an einer Einigung hatte, was im öffentlichen Ringen um Zustimmung nicht unwichtig ist.
SYRIZA hat in den vier Wochen seit Amtsantritt bereits mehr für einen Kurswechsel in der Krisenpolitik geleistet als es der europäischen Linken – oder wer sich zu ihr gern zählte, dann aber anders handelte – bisher gelungen ist. Diese dringend notwendige Kehrtwende ist ohnehin kein Projekt weniger Wochen, schon gar nicht eines, das im Rahmen der schwierigen Verhandlung über die Verlängerung des Kreditprogrammes für ein Land zu erreichen ist.
Ist aber nicht das allerwichtigste, dass ein Volk (wie in einer Volksabstimmung) sich zum ersten mal ganz eindeutig und demokratisch gegen einen Kurs ausgesprochen hat?
Es wird jetzt von links an SYRIZA zweifellos Kritik geben. Das ist auch völlig in Ordnung, ja: notwendig. Die gegen jeden Kompromiss gepanzerte Kommunistische Partei KKE hat sich am Samstagmorgen bereits ablehnend geäußert, andere werden folgen. Und dennoch: Der Gewinn von Zeit ist mehr als eine Fristverlängerung für ein „bloß reformistisches“ Projekt, es ist ein notwendiger Umweg.
Der Weg den das Griechische Volk mit SYRIZA beschlossen hat zu gehen ist ein neuer, der es wert ist sie dabei zu unterstützen. Zumal eine humanitäre Krise, von der sich auch die meisten Beobachter außerhalb Griechenlands kaum eine realistische Vorstellung machen können, die Griechische Regierung zum sofortigen handeln zwingt. Und das tut sie. Und das sehr gut, dem Vergleich mit anderen europäischen Regierungen hält sie mehr als stand. Sollte sie nicht eher als Vorbild dienen?
Schließlich: Die gesamten Geschehnisse bringen einen Dämpfer für das neoliberale Berlin mit sich. Auf europäischer Bühne ist Schäubles Njet der vergangenen Wochen ist nicht durchgegangen, das ist ein Erfolg gegen den Versuch, sich mit Erpressungspolitik über alle alternativen Erwägungen und Kompromisse hinwegzusetzen.
Um Schäubles eigentliches Motiv zu verstehen, muss man über die griechischen Grenzen hinaus nach Europa und nach Deutschland blicken. Am selben Tag, an dem Schäuble den Brief aus Athen demonstrativ zurückwies, veröffentlichte der Paritätische Wohlfahrtsverband einen neuen Armutsbericht für Deutschland. Sein Fazit: das Land ist sozial zerrissen, wie nie zuvor.
Seit 2006 ist die Armutsquote kontinuierlich gestiegen. Inzwischen beträgt sie 15,5 Prozent oder 12,5 Millionen Menschen. Im Osten des Landes liegt sie durchgehend über 18, in der Hauptstadt Berlin bei 21,4 Prozent. Am anderen Pol der Gesellschaft wächst der Reichtum. Erst kürzlich hat eine Studie aufgezeigt, dass sich ein Drittel der deutschen Privatvermögen in den Händen des reichsten Prozents der Bevölkerung befinden.
Deutschland zählt zu den reichsten Ländern der EU und zu den wenigen, in denen die Wirtschaft in den vergangenen Jahren leicht gewachsen ist. In anderen europäischen Ländern und in der Europäischen Union als ganzer ist die soziale Ungleichheit noch krasser.
Sie ist das Ergebnis einer gezielten Politik. Seit der Finanzkrise 2008 haben die europäischen Regierungen und die Europäische Zentralbank Billionenbeträge in marode Banken gepumpt und die arbeitende Bevölkerung überall in Europa mit sinkenden Löhnen und Sozialausgaben dafür bezahlen lassen.
Griechenland diente bei dieser dramatischen Umverteilung der Einkommen und Vermögen als Pilotprojekt. Aus Sicht der europäischen Finanzelite war die sogenannte „Rettung“ des Landes lediglich eine Fortsetzung des Bankenrettungsprogramms. Die angeblichen „Hilfsgelder“ flossen nicht in die Athener Staatskasse, sondern auf die Konten der Banken, die so ihre Risiken loswurden und dabei glänzend verdienten. Die Rechnung bezahlte die griechische Bevölkerung, der die Troika einen sozialen Kahlschlag diktierte, neben dem sich selbst die Politik blutiger Diktaturen, wie des Pinochet-Regimes in Chile, harmlos ausnimmt.
Schäubles rücksichtslose Arroganz galt weniger der Regierung Tsipras, von der er als erfahrener Politiker wusste, dass sie fast zu jedem Zugeständnis bereit ist, als der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland und ganz Europa. Er versuchte, jeden einzuschüchtern, der es wagt, der Politik des sozialen Kahlschlags entgegenzutreten.
Was also hat SYRIZA erreicht? Die Regierung in Athen hat die Re-Politisierung der Krisenbearbeitung in der EU vorangetrieben, was auch die politischen Bedingungen für Linke in anderen Ländern verbessert. Und das unter der Demokratischen einbeziehung der Betroffenen, also der Bevölkerung!
SYRIZA hat die Unbedingtheit eines neoliberalen Bürokratismus durchbrochen, der nur Memoranden, Vereinbarungen und technische Parameter kennt – und einem Dogmatismus der Austerität frönt, den man angesichts seiner Bilanz lächerlich nennen könnte, würde die politische Herrschaft dieses Irrglaubens nicht so viel soziale und ökonomische Verheerungen hinterlassen.
Über die Bedingungen der Gläubiger kann, das ist eine Botschaft von Freitagabend, politisch verhandelt werden, auch wenn die deutsche Seite das verhindern wollte. Über den realen Ertrag von Privatisierungsforderungen, über die Frage, warum nach Jahren des „Sparens“ die Schuldenberge nicht kleiner werden, welche Rolle europäische Werte wie die der Menschenwürde, der sozialen Sicherheit und der guten Arbeit gegenüber dem Prinzip der Austerität haben, wird schon jetzt anders gesprochen als vor den Wahlen in Griechenland.
Und das ist wirklich alles andere als nichts! Es sollte weiter gefördert werden so gut es geht, denn es wird ein anderer Weg beschritten
Anschließend sehen sie noch ein Aktionsvideo zu Blockupy am 18.3. Wir sehen uns nächste Woche wieder.
Quellen:
Neues Deutschland
www.wsws.org