Sendung 394 vom 15.09.2016
Hallo liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!
Nächsten Samstag, am 17. September, finden zeitgleich in 7 Städten Demonstrationen gegen CETA und TTIP statt. Und zwar in: Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart. Und das direkt vor der Woche der Entscheidung: Montags entscheidet die SPD auf ihrem Parteikonvent über CETA. Donnerstags muss Sigmar Gabriel beim Rat der Handelsminister in Bratislava entsprechend über das Handelsabkommen mit Kanada abstimmen. Wenn hunderttausende auf die Straße gehen, haben sie vielleicht eine Chance, CETA zu stoppen – und damit auch TTIP.
Welch fatale Folgen diese beiden Freihandelsabkommen haben, darüber hat diese Sendung schon mehrfach berichtet. Am vergangenen Samstag jedoch hat die Tageszeitung junge Welt den Text einer Rede von Karl Marx in einer Zusammenfassung abgedruckt. Diese stammt zwar aus dem Jahr 1848, hat aber nichts von ihrer Aktualität verloren und kann heute genauso gehalten werden.
Aus diesem Grund möchten wir diesen Text in der heutigen Sendung zitieren und hoffen gleichzeitig, dass möglichst viele die Demonstrationen gegen CETA und TTIP am kommenden Wochenende aktiv unterstützen.
Zitat Anfang.
Kein Zweifel, wenn der Preis aller Waren fällt, und dies ist die notwendige Konsequenz des Freihandels, so kann ich mir für einen Franc weit mehr Dinge als vorher verschaffen. Und der Franc des Arbeiters gilt ebensoviel wie jeder andere. Somit wird der Freihandel dem Arbeiter sehr vorteilhaft sein. Es ist nur ein kleiner Übelstand damit verbunden, nämlich der, dass der Arbeiter, bevor er seinen Franc gegen andere Ware umtauscht, zunächst den Tausch seiner Arbeit gegen das Kapital vollzogen hat. Wenn er bei diesem Tausch stets für dieselbe Arbeit den bewussten Franc erhielte und der Preis aller anderen Waren fiele, so würde er stets bei diesem Handel gewinnen. Die Schwierigkeit besteht nicht darin zu beweisen, dass, wenn der Preis aller Waren fällt, ich für dasselbe Geld mehr Waren bekomme.
Die Ökonomen greifen stets den Preis der Arbeit in dem Moment heraus, wo er sich gegen andere Waren austauscht, aber sie lassen den Moment gänzlich beiseite, wo die Arbeit ihren Tausch gegen das Kapital vollzieht.
Wenn weniger Kosten erforderlich sind, um die Maschine in Bewegung zu setzen, welche die Waren anfertigt, so werden die zum Unterhalt dieser Maschine, die sich Arbeiter nennt, notwendigen Dinge gleichfalls weniger kosten. Wenn alle Waren billiger sind, so wird die Arbeit, die auch eine Ware ist, gleichfalls im Preise sinken, und wie wir später sehen werden, wird diese Ware Arbeit verhältnismäßig viel mehr sinken als alle anderen Waren. Verlässt sich der Arbeiter dann immer noch auf die Argumente der Ökonomen, so wird er finden, dass der Franc in seiner Tasche zusammengeschmolzen ist und ihm nur noch fünf Sous übrigbleiben.
Hierauf werden Ihnen die Ökonomen sagen: Nun ja, wir geben zu, dass die Konkurrenz unter den Arbeitern, die unter der Herrschaft des Freihandels sicherlich nicht geringer sein wird, sehr bald die Löhne in Einklang mit dem niedrigen Preis der Waren bringen wird. Aber anderseits wird der niedrige Preis der Waren den Konsum vermehren; der größere Konsum wird eine stärkere Produktion erfordern, welche eine stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften nach sich ziehen wird, und dieser stärkeren Nachfrage nach Arbeitskräften wird ein Steigen der Löhne folgen.
Diese ganze Argumentation läuft auf folgendes hinaus: Der Freihandel vermehrt die Produktivkräfte. (…) Je mehr das Produktivkapital anwächst, desto mehr steigert sich die Konkurrenz unter den Arbeitern, und zwar in viel stärkerem Verhältnis. Die Entlohnung der Arbeit nimmt ab für alle, und die Arbeitslast vermehrt sich für einige. (…) Wir kennen im voraus die Antwort der Ökonomen. Diese außer Arbeit gesetzten Leute, sagen sie, werden eine andere Beschäftigung finden. (…)
Nach diesem Gesetz wird die Arbeiterklasse zeitweilig glücklicher sein. Sie wird zuweilen mehr als das Minimum haben, aber dieses Mehr wird nur die Ausgleichung von dem sein, was sie in Zeiten der industriellen Stockung weniger als das Minimum haben wird. (…) Das ist jedoch nicht alles. Der Fortschritt der Industrie liefert weniger kostspielige Existenzmittel. So hat der Schnaps das Bier, die Baumwolle Wolle und Leinen, die Kartoffel das Brot ersetzt. Da man stets Mittel findet, die Arbeit mit wohlfeileren und erbärmlicheren Gegenständen zu ernähren, so ist das Lohnminimum in stetem Sinken begriffen. Wenn dieser Lohn anfangs den Menschen arbeiten ließ, um zu leben, lässt er ihn schließlich auch noch leben, aber das Leben einer Maschine. Seine Existenz hat keinen anderen Wert als den einer einfachen Produktivkraft, und der Kapitalist behandelt ihn demgemäß.
Was ist also unter dem heutigen Gesellschaftszustand der Freihandel? Die Freiheit des Kapitals. Habt ihr die paar nationalen Schranken, die noch die freie Entwicklung des Kapitals einengen, eingerissen, so habt ihr lediglich seine Tätigkeit völlig entfesselt. Solange ihr das Verhältnis von Lohnarbeit zu Kapital fortbestehen lasst, mag der Austausch der Waren sich immerhin unter den günstigsten Bedingungen vollziehen, es wird stets eine Klasse geben, die ausbeutet, und eine, die ausgebeutet wird. (…)
Noch ein Umstand darf dabei nie aus dem Auge gelassen werden: Der nämlich, dass, wie alles Monopol geworden ist, es auch heute einige Industriezweige gibt, welche alle anderen beherrschen und den sie vorzugsweise betreibenden Völkern die Herrschaft auf dem Weltmarkt sichern. (…) Wenn die Freihändler nicht begreifen können, wie ein Land sich auf Kosten des anderen bereichern kann, so brauchen wir uns darüber nicht zu wundern, da dieselben Herren noch weniger begreifen wollen, wie innerhalb eines Landes eine Klasse sich auf Kosten einer anderen bereichern kann.
Karl Marx: Rede über die Frage des Freihandels, gehalten am 9. Januar 1848 in der Demokratischen Gesellschaft in Brüssel.
Zitat Ende.
Quellen:
Tageszeitung junge Welt
http://ttip-demo.de
Wir sehen uns zur nächsten Sendung wieder.